„Es brauchte viel Überzeugungsarbeit, einen jahrelangen politischen Kampf – aber jetzt sind wir einen Meilenstein weiter!“ – Bea Heim
Fehler bei Behandlungen kommen häufiger vor, als uns lieb ist. Rund 250 000 Spitaltage pro Jahr sollen durch ein neues Qualitätsgesetz vermieden werden. Der Ständerat hat am Dienstag mit knappem Entscheid einer griffigeren Variante zugestimmt. Fünf Erkenntnisse über eine Wende, die kaum mehr möglich schien.
1. Es geht ja doch!
Selten genug kann man sich über Erfolge in der Gesundheitspolitik freuen. Heute ist so ein Tag: Der Ständerat hat widererwarten einem Qualitätsgesetz zugestimmt, das diesen Namen auch verdient. Denn noch die vorbereitende Kommission zog dem Gesetz die wichtigsten Zähne: Es hätte die Aufgabe der Qualitätskontrolle jenen überlassen, die von den Vorgaben direkt betroffen sind. Mit 24 zu 18 Stimmen befürwortete der Ständerat ein griffigeres Modell.
Eine Expertenkommission soll Standards und Abläufe definieren, um Fehler bei medizinischen Behandlungen auszumerzen. Patienten erfahren diese Änderung nur indirekt. Einzelne Standards werden in Spitälern oder Heimen heute schon getestet. Beispiele sind Checklisten im Operationssaal, Standards zur Händedesinfektion oder Abgabe von Medikamenten. Überall können Fehler passieren oder Vorgaben nur halbwegs umgesetzt werden. Über Kontrollen und Sanktionen verspricht sich die Politik nun Verbesserungen.
2. Nur Beharrlichkeit zahlt sich aus
Das Ergebnis klingt vielleicht wenig spektakulär. Doch dieser scheinbar kleine Schritt hat eine lange Vorgeschichte. Wie schwerfällig auch nur kleine Verbesserungen durchzusetzen sind, zeigt die Arbeit von SP-Nationalrätin Bea Heim (SO). Seit bald fünfzehn Jahren fordert sie über Vorstösse eine verbindliche Qualitätsstrategie. Sie sagt zum Entscheid des Ständerats: „Es brauchte viel Überzeugungsarbeit, einen jahrelangen politischen Kampf – aber jetzt sind wir einen Meilenstein weiter!“
Noch vor drei Jahren lehnte der Ständerat ein solches Gesetz ab. Die Argumentation der Gegner war immer dieselbe: Bereits heute habe der Bund aufgrund der Gesetzgebung die Möglichkeit, Qualität zu fördern. Kurz: Gute Qualität für medizinische Leistungen ist sowieso geschuldet.
Bloss: Geschehen ist trotzdem nichts. Im Anhang der Tarifverträge zwischen den Leistungserbringern und Versicherern wäre stets Platz für Massnahmen gewesen – Massnahmen, um die Patientensicherheit zu verbessern. Die Anhänge blieben 22 Jahre lang leer. Es war letztlich der Nationalrat, der das Gesetz durchboxte. Er zimmerte eine Gesetzesvorlage mit klaren Vorgaben zu Qualitätszielen, Verbindlichkeiten und sogar Sanktionen bei Nichterfüllung.
3. Der Staat muss es richten
Das Schweizer Gesundheitswesen ist eigentlich freiheitlich organisiert: Die Versicherer handeln mit den Ärzten, Spitälern und Psychiatern Tarife und Verträge aus. Weil die Tarifpartner wichtige Tarifrevisionen seit Jahren verschleppen, scheint das Parlament das Vertrauen in dieses freiheitliche System zunehmend zu verlieren: Der Vorschlag, die Qualitätsbestimmungen ebenfalls den Tarifpartnern zu überlassen, scheiterte auch an diesem steigenden Misstrauen.
4. Jeder 10. Patient erlebt böse Überraschung
Beim Qualitätsgesetz geht es nicht darum, die Arbeit der Ärzte, der Pflege und Psychologen schlecht zu reden. Allzu oft wird in der Schweiz aber hohe Qualität mit einem guten Zugang zu fast allen Gesundheitsleistungen verwechselt. Über die Behandlungsqualität fehlen in der Schweiz wichtige Informationen. Das neue Qualitätsgesetz soll helfen, vermeidbare Fehler auszumerzen. Und diese sind nicht zu unterschätzen: 10 Prozent aller Patienten haben während ihren Spitalaufenthalten schädigende medizinische Zwischenfälle erlebt. Das führte zu verlängerten Spitalaufenthalten: Patienten, die einen Zwischenfall erlebten, mussten im Schnitt eine Woche länger im Spital verbringen. Das sind 350 000 Spitaltage, die bei besserer Behandlungsqualität nicht nötig wären. So kann nicht nur Leid verhindert, sondern es können auch Kosten gespart werden.
5. Überarbeitete Ärzte – die unterschätzte Gefahr
Trotz aller Technik, neuer Standards und Sanktionen: Qualität im Gesundheitsbereich steht und fällt mit den Menschen, die dort arbeiten. Es besteht kein Zweifel, dass sie heute schon ihr Bestes geben, um den Menschen zu helfen. Qualität verbessert sich insbesondere auch dann, wenn die Ärzte ausgeruht und nicht überarbeitet sind, und die Pflege anständig bezahlt und nicht überlastet ist.
Quelle: Solothurner Zeitung