Wenn unsere Kinder jeweils über Durchfall oder verstopfte Atemwege klagten, machten wir Eltern uns keine allzu grossen Sorgen. Es brauchte ja bloss ein paar Löffel Sirup vom Doktor und nach ein paar Tagen rannten die Knirpse wieder quietschfidel umher.
Nachdem der Bakteriologe Alexander Fleming im vergangenen Jahrhundert das Penicillin erfunden hatte, verloren Lungenentzündungen und Wundinfekte ihren Schrecken. Die Antibiotika retteten seit damals Hunderten Millionen Menschen das Leben.
Flemings Warnung überhört
„Die Zeit wird kommen,“ prophezeite Fleming, als ihm 1945 der Nobelpreis verliehen wurde, „da Penicillin von jedem im Geschäft gekauft werden kann“. Warnend fügte er hinzu: „Dann besteht die Gefahr, dass der Unwissende sich selbst unterdosiert und seine Mikroben mit nicht tödlichen Mengen des Medikaments resistent macht.“ – Heute wird diese Prophezeiung leider wahr. In vielen Ländern sind Antibiotika frei verkäuflich und werden auch in der Massentierhaltung eingesetzt. Die Folgen sind verheerend: Resistenzen sind im Vormarsch. Die Wunderwaffe Antibiotikum verliert an Schlagkraft. Auch bei uns in der Schweiz sieht sich die Ärzteschaft zunehmend mit resistenten Keimen konfrontiert. Nach einer britischen Studie könnte die Wirkungslosigkeit der Antibiotika ab 2050 weltweit jedes Jahr 10 Millionen Tote zur Folge haben. Es droht ein Rückfall ins vor-antibiotische Zeitalter.
Neue Waffen gegen die Killerkeime müssen her!
Gelingt es nicht, neue Antibiotika zu entwickeln, droht die Menschheit den Kampf gegen die Killerorganismen zu verlieren. Aber viele Staaten weigern sich mitzuwirken. Die Pharmaindustrie hat sich aus Forschung und Entwicklung neuer antimikrobieller Wirkstoffe zurückgezogen.
Der Grund liegt in den Mechanismen des Marktes. Denn die Renditeaussichten bei neuen Antibiotika sind weit weniger rosig als anderswo. Klar, dass Unternehmen nicht Milliarden in eine Forschung stecken, wenn der neue Wirkstoff dann nur ausnahmsweise, wenn alles andere nicht mehr wirkt, eingesetzt werden soll.
Appell an die öffentliche Hand
Am Weltwirtschaftsforum in Davos haben 80 Pharmafirmen eine Erklärung unterzeichnet. Sie warnen vor der Zunahme von Resistenzen und fordern für die Entwicklung neuer antimikrobieller Medikamente nun finanzielle Anreize von der öffentlichen Hand und längere Patentfristen. Denn die Kräfte des Marktes vermögen die Bereitschaft der Pharma in die Antibiotikaforschung zu investieren nicht zu stimulieren.
Als Nationalrätin beschäftigt mich das Thema schon seit Jahren. Nach mehreren ergebnislosen Anträgen stiess meine Motion für eine „One Health-Strategie“ endlich auf Gehör. In der Folge lancierte der Bund letztes Jahr die nationale „Strategie Antibiotikaresistenzen Schweiz StAR“. Sie zielt auf die Senkung und Überwachung des Antibiotika-Verbrauchs in der Human- und in der Tiermedizin. Gleichzeitig soll die Übertragung und Verbreitung der Resistenzen erforscht werden.
Ein erster, wichtiger Schritt ist damit getan – mehr aber nicht. Die Frage, wie sich das Interesse der Pharmafirmen an der Antibiotika-Forschung stimulieren lässt, bleibt unbeantwortet. Was aber, wenn die Sicherheit der Bevölkerung auf dem Spiel steht und selbst die besten Forschungsergebnisse keine Rendite versprechen? Dann bleibt nur noch die Intervention der öffentlichen Hand. Sie muss gezielt mit Anreizen die Entwicklung dieser überlebenswichtigen Medikamente ankurbeln, sei es mit Prämien für neue Wirkstoffe, sei es mit staatlichen Abnahmegarantien.
Die Entwicklung neuer Antibiotika muss dringend vorangetrieben werden! Denn wenn Antibiotika nicht mehr wirken, bricht eine tragende Säule unserer Gesundheitsversorgung weg und selbst kleine Infekte werden dann zur tödlichen Gefahr.