«Angst essen Seele auf» hiess vor über 40 Jahren ein Film des deutschen Regisseurs Rainer Maria Fassbinder. Es geht darin – verkürzt – um die Beziehung einer deutschen Putzfrau mit einem jüngeren marokkanischen Migranten und die Reaktion der Gesellschaft darauf. Dieser sprachlich auffällige Filmtitel fällt mir in letzter Zeit immer häufiger ein, wenn ich über aktuelle politische Entscheide und die zum Teil gehässige Stimmung in unserer Gesellschaft nachdenke. Sozialdemokratische und fortschrittliche Politik ist analysierende und erklärende Anti-Angst- Politik, auch wenn das nicht immer ohne Widersprüche zu schaffen ist. Denn es ist nun einmal komplexer, immer wieder darauf hinzuweisen, dass nicht der Kollege aus Italien oder Deutschland schuld daran ist, wenn ältere Arbeitnehmende auf die Strasse gestellt werden.
Es sind die bonigetriebenen Manager, und es sind die rechten Politikerinnen, die wirkungsvolle flankierende Massnahmen torpedieren. Es ist nun einmal komplexer, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Menschen aus Syrien, Afghanistan und Afrika nicht aus Jux und Tollerei Tausende lebensgefährliche Fluchtkilometer auf sich nehmen, um in Europa Schutz zu finden. Diese Menschen fliehen vor Waffen, die wir geliefert haben; sie fliehen vor Gewaltregimes, die wir gewähren lassen; sie fliehen vor Hunger, an dem unsere Rohstoffspekulanten mitschuldig sind.
Und es ist nun einmal komplexer, immer wieder darauf hinzuweisen, dass es Rentnerinnen und Rentnern, prekär Beschäftigten und jungen Familien nicht wegen der schutzsuchenden Menschen schlecht geht, sondern weil wir 25 Jahre verheerende bürgerliche Wirtschafts- und Steuerpolitik hinter uns haben, die denen gibt, die schon viel haben, und denen nimmt, die es brauchen. Aber auch wenn es schwierig ist, wir dürfen nie den schrecklichen Vereinfachern, den Hasspredigern rechtsaussen das Feld überlassen. Widersprechen wir weiterhin hartnäckig und differenziert.
Denn Angst essen nicht (nur) Seele auf: Angst essen Schweiz auf. Soweit dürfen wir es nicht kommen lassen.