Der Bundesrat wird im Postulat beauftragt, zu prüfen und Bericht zu erstatten, ob und wie Berufsintegrationsprojekte im Rahmen von Migrationspartnerschaften und Entwicklungshilfe verstärkt angestossen und gefördert werden können, z. B. auch mit vertraglicher Einbindung von Schweizer Firmen in den entsprechenden Ländern.
Heim Bea (S, SO): Die Berufsbildung soll einer der Eckpfeiler der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit werden. Der Bundesrat verspricht deshalb auch in seiner Stellungnahme zum Postulat mit Hinweis auf den Grundlagenbericht zur Internationalen Berufsbildungszusammenarbeit (IBBZ) vom November 2014, seine Bemühungen diesbezüglich zu verstärken. Er erwähnt dabei ein Projekt von Nestlé Schweiz in Nigeria und auch Stagiaire-Abkommen mit verschiedenen Staaten. Das tönt gut. Doch der vom Bundesrat zitierte Bericht zeigt, dass die proaktiven Bemühungen der Schweiz in erster Linie dem eigenen Schweizer Interesse dienen sollen: Man will das schweizerische Berufsbildungssystem international stärker positionieren, und dementsprechend nimmt sich unter den drei übergeordneten strategischen Zielen für die IBBZ des Bundes die Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung von Partnerländern bescheiden und vor allem unbestimmt aus.
Das Postulat zielt in eine etwas andere Richtung. Sein Fokus liegt auf der Entwicklungszusammenarbeit, auf deren Nachhaltigkeit und auf deren Wirkung. Mit mehr und gezielter Investition in die Berufsbildung sollen Perspektiven für die Jungen in den Entwicklungsländern geschaffen werden: Berufsbildung als wirksames Instrument zur Armutsbekämpfung, Berufsbildung als Instrument der nachhaltigen Entwicklung, damit die Jungen in ihrem Land arbeiten können und ein Auskommen haben können und nicht ihre Perspektiven in fernen Industrieländern suchen müssen. Die heutige schweizerische Entwicklungszusammenarbeit investiert weniger als 5 Prozent ihrer Mittel in Berufsbildung, und diese 5 Prozent verzetteln sich auch noch auf insgesamt 68 Länder. In ganz Afrika gibt es zum Beispiel als Folge einer verfehlten Bildungspolitik – dort in kolonialer Tradition – Hunderttausende von Universitätsabgängern, die niemand brauchen kann.
Dafür mangelt es aber an Elektrikerinnen und Elektrikern, an Mechatronikern und Spenglern; an Leuten, die dem heutigen Standard der Technik gerecht werden können.
Die Entwicklungspolitik hat etwas vergessen, und dazu zitiere ich Rudolf Strahm in seiner Kolumne im „Tages-Anzeiger“ vom 27. April 2015: „Die Entwicklungspolitik hat vergessen, dass Arbeitsmarktintegration für junge Leute entscheidend ist für die Stabilisierung einer Gesellschaft und längerfristig für die Verhinderung von Migration.“ Ich erwarte, dass der Bundesrat diesen Anregungen in seinen zukünftigen Aktivitäten in der schweizerischen Migrationsaussenpolitik mehr Rechnung trägt. Er sollte dem Parlament jeweils aufzeigen, welche konkreten Fortschritte erreicht worden sind, inwiefern unser duales Bildungssystem, ein Schweizer Exportschlager erster Güte, gerade in den Herkunftsländern der Migrantinnen und Migranten Früchte trägt. Unsere Entwicklungspolitik, zusammen mit den Unternehmen in diesen Ländern, ist gefordert: Es gilt, die Schweizer und weitere Unternehmen dort zu motivieren, solche Berufsbildungsprojekte mitzutragen.
Und ich meine: Eine solche Strategie müsste doch auch von jenen unter Ihnen unterstützt werden, die in der aktuellen Flüchtlingsdebatte immer betonen, dass die Hilfe der Schweiz in den von der Abwanderung betroffenen Ländern selbst ansetzen müsste, also Hilfe vor Ort geleistet werden müsste. Weshalb bekämpfen Sie dieses Postulat? Das macht doch gar keinen Sinn. Wenn es Ihnen ernst ist, mitzuhelfen, das Problem zu entschärfen – es ist zwar ein kleiner Sektor, aber er kann mithelfen -, dann sollten Sie dieses Postulat unterstützen und damit auch den Bundesrat unterstützen, der versprochen hat, dass er verstärkt in diese Richtung arbeiten will.
Ich bitte Sie also um Unterstützung für dieses Postulat.
Hilfe vor Ort leisten, dafür schauen, dass die Menschen gar nicht flüchten müssen, weil sie in ihrer Heimat ein Auskommen in Sicherheit haben – davon sprechen die Rechten gerne. Und die Wichtigkeit der Berufsbildung rühmen sie auch. Doch wenns konkret wird, klemmen SVP/FDP. Und so wurde heute mein Postulat für Berufsbildung im Rahmen von Migrationspartnerschaften mit 96 zu 94 Stimmen abgelehnt. (Kommentar von Bea Heim vom 1. März 2016)
Abstimmungsergebnis:
Für Annahme des Postulates … 94 Stimmen
Dagegen … 96 Stimmen