Bea Heim am 5. März im Nationalrat: „Bei diesem Gesetz bewegen wir uns in einem höchst sensiblen Bereich, wo es um Fragen von Leben und Tod geht. Es verlangt Respekt und Feingefühl, wenn wir das erreichen wollen, was das Hauptziel dieses Gesetzes ist, nämlich dass in der Schweiz mehr Organe gespendet werden. Die Kerndiskussion dreht sich denn auch um den Weg zum Ziel, Zustimmungslösung oder Einführung des Widerspruchsmodells. Die SP-Fraktion ist da geteilter Meinung. Es ist eine Frage, die jeder und jede aufgrund der persönlichen Grundwerte für sich und dann politisch zu entscheiden hat.
Fakt ist, dass über tausend Patientinnen und Patienten auf ein neues Organ, auf ein neues Leben warten. Wir haben zu wenig Organspenden. 2014 verstarben deswegen jede Woche bis zu zwei Menschen. Warum ist die Spendenrate in der Schweiz so tief? Warum ist sie in Frankreich, Italien und Österreich doppelt so hoch wie bei uns? Wie kann die Spendebereitschaft in unserem Land gesteigert werden? Ist es mit der Widerspruchslösung möglich? Bringt die mehr Spendenorgane? Immerhin hat das Widerspruchsmodell – es wird jetzt von Kollege Stolz beantragt – schon einmal eine Mehrheit in diesem Rat gefunden. Ein Teil der SP-Fraktion sagt Ja und unterstützt diese Minderheit in der Meinung, damit verändere sich die gesellschaftliche Grundhaltung und das sei es, was es brauche Die Organspende müsse zum selbstverständlichen Akt gesellschaftlicher Solidarität werden, schliesslich könnten alle einmal in die Situation kommen, auf eine Organspende angewiesen zu sein. Das Widerspruchsmodell zwinge eben die Bevölkerung, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich zu entscheiden. Damit werde die Zahl der Spenden und der verfügbaren Organe steigen. Diese Meinung vertreten auch verschiedene medizinische Fachleute und Organisationen.
Die Nationale Ethikkommission hingegen lehnt das Widerspruchsmodell mit dem Hinweis ab, es sei ein Eingriff in die menschliche Integrität. Bringt der Systemwechsel wirklich mehr Spendenorgane? Nein, sagt die Seite, die die Zustimmungslösung befürwortet. Schweden hat trotz Widerspruchslösung eine ähnlich tiefe Spenderate wie die Schweiz, die USA mit dem Zustimmungsmodell aber eine erheblich höhere Rate. Spanien hat das Widerspruchsmodell; in Spanien werden zwar dreimal so viele Organe gespendet wie in der Schweiz, aber es war, wie wir schon gehört haben, nicht die Einführung des Widerspruchsmodells, die zum Erfolg geführt hat, sondern ein Aktionsplan, der erst zehn Jahre nach Einführung des Widerspruchsmodells umgesetzt wurde.
Erst diese Überzeugungskampagne hat eigentlich die Spendebereitschaft gesteigert. So gibt es aus Sicht der Befürwortenden der Zustimmungslösung keinen wirklichen Beweis, dass das Widerspruchsmodell zu mehr Organspenden führt. Das dürfte ein Hinweis darauf sein, dass das Problem fehlender Organspenden nicht von der Widerspruchs- oder der Zustimmungslösung abhängt, sondern davon, dass man Vertrauen schafft in die Transplantationsmedizin, dass man überzeugt. Offenbar fördert man so am ehesten die Bereitschaft zu Organspenden. In diesem Zwiespalt von Zustimmung und Widerspruch ist eines klar: Es braucht ganz sicher eine Informationslösung. Der Aktionsplan „Mehr Organe für Transplantationen“, wie ihn der Bundesrat gestartet hat, soll die geforderte Auseinandersetzung in der breiten Bevölkerung bringen. Ich persönlich bin überzeugt, dass dann auch mehr Leute sagen werden: Ja, ich will spenden und das im elektronischen Patientendossier eintragen.
Die SP-Fraktion tritt ein auf das Gesetz. Es bringt wesentliche Verbesserungen, sie wurden erwähnt. Zum Einzelantrag Kessler: Ja, es ist ein wichtiges Argument, das Frau Kessler angeführt hat, aber der Bundesrat hat die Aufgabe, zusammen mit Fachkreisen und Interessierten festzulegen, was medizinische Massnahmen mit nur minimalen Risiken und Belastungen sein dürfen. Deshalb sind wir der Meinung, dass das in die Verordnung gehört. Die Sensibilisierung der Bevölkerung ist zentral; je besser informiert, umso mehr Spenden. Sie werden sehen, die SP-Fraktion wird geteilt stimmen: Die einen stimmen dem Zustimmungsmodell zu, die anderen dem Widerspruchsmodell.“