Heim Bea (S, SO): Die Familien stärken – ja, das müssen wir. Ich muss Ihnen gestehen: Wenn die Initiative das einlösen würde, was sie in ihrem Titel vorgibt, wäre auch ich eine vehemente Verfechterin dieser Initiative. Ich lehne sie aber ab.
Ja, Kinder kosten viel, und die Analyse von Kollegin Lucrezia Meier-Schatz trifft zu, diese teilen wir. Wir sind aber der Meinung: Die Kinder- und Ausbildungszulagen in ihren Minimalansätzen sind zu tief, es findet hier nicht wirklich ein Ausgleich der Kinderkosten statt. Die Frage ist: Wie soll die finanzielle Mehrbelastung der Familien ausgeglichen werden? Wir meinen: Nicht so, wie es die Initiative vorschlägt. Diese privilegiert die Familien mit hohen Einkommen sehr einseitig und vernachlässigt die vielen, vielen Familien, die echt auf Entlastung angewiesen sind. Es sind Familien mit mittleren und vor allem mit kleinen Einkommen; all jene, die keine direkten Bundessteuern oder nur wenig Steuern zahlen.
Für mich ist es eigenartig, dass nach der eindrücklichen Analyse von Lucrezia Meier-Schatz die CVP-Initiative genau diese Familien zu wenig berücksichtigt, ja quasi ausser Acht lässt. Wir meinen: Alle Familien verdienen und brauchen gesellschaftliche Wertschätzung, egal ob sie arm oder reich sind. Aber den Armen ist mit schönen Worten nicht geholfen. Was sie brauchen, ist eine materielle Unterstützung, die wirklich einschenkt.
Kinder sind für viele Paare mit grossen finanziellen Einbussen verbunden – das ist schade -, und für viele sind sie gar ein Armutsrisiko. Die Mieten, die Krankenkassenprämien, die allgemein hohen Lebenshaltungskosten belasten vor allem die Familien mit kleinen Budgets, aber auch die Familien mit mittleren Einkommen. Und da hat der Kanton Solothurn beispielhaft gehandelt. Er hat – und ich sage das mit Stolz als Solothurnerin – als erster Kanton der Deutschschweiz Ergänzungsleistungen für Familien mit kleinen Einkommen eingeführt. Die vielen Familien, die von der Woorking-Poor-Problematik betroffen sind, erhalten somit eine finanzielle Absicherung. Die Erfahrungen dieser Politik bestätigen: Das Ziel der Bekämpfung der Familienarmut ist so erreichbar, und gleichzeitig bringt das auch eine Entlastung des Staates bei der Sozialhilfe.
Das Modell trägt Früchte und zahlt sich aus für die Familien, für die Kinder wie für den Kanton – eine gute Investition in die Zukunft der Kinder! Die CVP-Initiative aber zielt in die falsche Richtung: Sie privilegiert, beschenkt einseitig die grossen Einkommen – ein milliardenschweres Steuergeschenk für eine Minderheit, die das nicht braucht. Sie gebe allen Kaufkraft zurück, hiess es vorhin. Sie gibt aber nur jenen, die eh schon mehr haben, ziemlich viel mehr als jenen, die es wirklich brauchen würden. Die CVP-Initiative macht Geschenke, wo sie nicht nötig sind, und lässt eben die 50 Prozent der Familien, die keine direkten Bundessteuern bezahlen, im Regen stehen. Ich frage mich, ob das den Leuten, die ihre Unterschrift unter diese Initiative gesetzt haben, auch wirklich offengelegt wurde. Ich lasse diese Frage im Raume stehen. Diese Initiative ist jedenfalls nicht zielführend und sozialpolitisch nicht tauglich: Sie bringt einfach nur Kosten.
Unser Land braucht eine gezielt soziale Familienpolitik, eine Familienpolitik, die die Chancengleichheit der Kinder fördert. Darum stehen für die SP Massnahmen wie die Armutsbekämpfung mit gezielt bedarfsorientierten Ergänzungsleistungen, ein Steuerrabatt als Abzug von der Steuerrechnung und Kindergutschriften im Vordergrund. Nur so können auch Familien, die wenig Steuern zahlen, und Mittelstandsfamilien entlastet werden.
Weil die meisten Haushalte mit nur einem Einkommen nicht über die Runden kommen und 65 Prozent der Mütter mit Kindern erwerbstätig sind, braucht es dringend Investitionen für mehr familien- und schulergänzende Betreuungsstrukturen. Die Schweiz als eines der reichsten Länder der Welt tut im Vergleich zu den OECD-Ländern wenig, sehr wenig: Unsere Nachbarländer investieren erheblich mehr.
Wir lehnen diese Initiative ab. Wir wollen die Mittel zielführend und zielgerichtet für unsere Familien einsetzen. Wir unterstützen deshalb auch die durch ein Postulat angeregte genauere Analyse, obwohl ein Postulat vielleicht nicht unbedingt so rasch zum Ziel und zum Erfolg führt wie eine gute Initiative; eine solche liegt aber hier nicht auf dem Tisch.