Für den Schutz fairer Löhne (Mindestlohn-Initiative)

  • 28. November 2013
  • Voten
  • 0 Kommentare

 „Zu viel zum Sterben, zu wenig zum Leben“ – so titelte selbst die „NZZ“ vor einem Jahr und fasste damit die Situation von Menschen in unserem Land bestens zusammen, von jenen Menschen, die zu 100 Prozent arbeiten, aber davon nicht leben können. Gemeint sind Working Poor – arm trotz Arbeit. Ich spreche nicht nur von ungelernten Arbeitskräften, sondern auch von jenen Arbeitskräften, die ihre Berufslehre erfolgreich abgeschlossen haben.

An einer Diskussion über die Ausbildung und die Zukunftsaussichten der Jungen vertrat ich kürzlich die Ansicht, dass wir in unserer Gesellschaft wohl Studierte brauchen – aber nicht nur, sondern auch Berufsleute, die ihr Metier verstehen. Da erklärte mir ein Vater mit aller Vehemenz, er setze alles daran, dass seine Töchter studieren; er wolle nicht, dass sie in einer Branche arbeiteten, in welcher der Lohn kein Auskommen erlaube. Er traf damit zwei reale Probleme in einem Satz: Berufsleute aus bestimmten Branchen verdienen zu wenig, um davon zu leben. Es betrifft vor allem – Sie haben es jetzt mehrfach gehört, nehmen Sie es bitte zur Kenntnis – die Frauen.
Die Fakten rufen die Politik zum Handeln auf. 7 Prozent der Arbeitenden mit Lehrabschluss leben unter dem Existenzminium; im Gastgewerbe sind es fast 8 Prozent. Von den Selbstständigen ist jeder Zehnte betroffen. Am meisten haben Alleinerziehende zu kämpfen – Sie wissen es -; 20 Prozent von ihnen gelten als arm. Das heisst, sie sind allein mit zwei Kindern und haben weniger als 3600 Franken im Monat. Das sei blamabel, hat mein Kollege von der Solothurner CVP gesagt. Ich stimme ihm voll bei. Wenn Hunderttausende von Arbeitern in der Schweiz mit weniger als 4000 Franken im Monat leben müssen, mit einem Lohn von weniger als 22 Franken in der Stunde, so ist das blamabel.
Meine Kolleginnen und Kollegen – Hand aufs Herz: Wären Sie bereit, zu einem solch niedrigen Lohn zu arbeiten? Die 330 000 Berufsleute haben gar keine andere Wahl. Sie arbeiten in Tiefstlohnbranchen, weil sie arbeiten wollen. Sie arbeiten als Coiffeuse, in der Landwirtschaft, in einem Callcenter, in der Gastronomie als Kellnerin oder als Koch. Sie sind ebenso müde wie Sie und ich, wenn sie abends nach Hause kommen – mit einem Unterschied: Sie haben Sorgen, dass das Geld nicht reicht. Von Luxus kann keine Rede sein; nein, es geht um das tägliche Brot, die Miete und die Krankenkassenprämien – Sie wissen es.
Bedenken Sie bitte: Armut ist weiblich, besonders im Alter. Tiefe Löhne heisst tiefe Renten und auch Ergänzungsleistungen. Eigentlich subventioniert der Staat die Tieflohnbranchen mit Steuergeldern, über die Sozialhilfe und über die Ergänzungsleistungen.
Heben wir aber die Löhne an, entlastet das die Sozialwerke und die Steuerzahlenden. Wir stärken damit den sozialen Frieden, die Grundlage für das Erfolgsmodell Schweiz. Das stärkt – entgegen dem, was Frau Fiala jetzt gerade gesagt hat – das Gewerbe, die regionale Wirtschaft, weil das Geld in den Konsum fliesst und so wieder Arbeitsplätze schafft.
Vielleicht sagen Sie, der Mindestlohn gehöre nicht in die Bundesverfassung. Vertrösten Sie bitte die Leute nicht auf GAV, die zu oft verweigert werden; vertrösten Sie die Leute nicht auf irgendwelche Berichte. Bundesrat und Parlament hätten Gelegenheit gehabt, mit einem Gegenvorschlag hier Remedur zu schaffen. Man hat es verpasst, und damit auch, das Problem glaubwürdig anzugehen. Deshalb sage ich Ja zur Initiative. Ich sage auch darum Ja zur Initiative, weil es uns allen zugutekommt, wenn alle eine finanziell gesicherte Existenz haben. Zudem sind verbindliche Lohnuntergrenzen – Sie wissen es! – ein wirksames Mittel gegen Lohndumping. Zusammen mit griffigen Kontrollen sorgt ein Mindestlohn dafür, was Volk und Parlament beschlossen haben. Für Erwerbstätige in der Schweiz gelten Schweizer Löhne, Löhne mit denen es sich leben lässt. Das ist ein Muss, wenn die Personenfreizügigkeit nicht aus dem Ruder laufen soll.
Ich bitte Sie darum: Denken Sie gut nach – empfehlen Sie die Initiative zur Annahme!

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert