Heim Bea (S, SO): Wir sprechen hier über eine Revision des Staatsvertragsrechts, die an und für sich eine kleine Revision ist, die aber alles andere als von kleiner Bedeutung ist. Es geht um etwas Grundsätzliches, es geht um die Stärkung des Parlamentes, um seine stärkere Mitwirkung beim Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen. Letztlich geht es auch um die Stärkung der demokratischen Legitimation der Aktivitäten des Bundesrates in der Aussenpolitik. Dazu braucht es präzisere Regeln als heute, Regeln betreffend die Kompetenz zum Abschluss von Verträgen, Regeln vor allem, ob und unter welchen Bedingungen der Bundesrat die Kompetenz zur vorläufigen Anwendung von Verträgen, die in die Zuständigkeit des Parlamentes fallen, haben soll. Es geht um Fragen, die im Zusammenhang mit dem Luftverkehrsabkommen mit Deutschland 2001 oder im Zusammenhang mit dem Vertrag mit den Vereinigten Staaten im Fall UBS Probleme machten. Beide Vorkommnisse lösten parlamentarische Forderungen nach der Abschaffung der Möglichkeit der vorläufigen Anwendung von Verträgen aus. Die SP ist nicht für das Abschaffen, aber für eine klare Einschränkung derselben.
Die SP ist grundsätzlich für eine stärkere Demokratisierung der Aussenbeziehungen, sprich für mehr parlamentarische Mitwirkungsmöglichkeiten in der Aussenpolitik. Damit wären auch die Aktivitäten des Bundesrates in diesem Bereich von einer höheren demokratischen Legitimation getragen. Sie erinnern sich an die UBS-Geschichte und den Vertrag mit den Vereinigten Staaten; es wurde jetzt auch wieder erwähnt. Das Parlament wurde damals quasi vor ein Fait accompli gestellt. Die USA hatten den Bundesrat unter Druck gesetzt: Entweder liefert ihr die Kundendaten oder das Gerichtsverfahren gegen die UBS läuft weiter. Der Bundesrat knickte ein, lieferte die Daten, wurde vom Bundesverwaltungsgericht zurückgepfiffen, musste nachverhandeln und beschloss wegen der angeblichen Dringlichkeit, trotz ablehnender Stellungnahme der beiden zuständigen parlamentarischen Kommissionen, den Vertrag sofort vorläufig anzuwenden. Zweieinhalb Monate später durfte dann das Parlament darüber befinden.
Was soll das, wenn man nur noch nicken kann, fragten sich damals manche in diesem Saal. Es war ein demokratisch fragwürdiger Vorgang, des Parlamentes unwürdig, das der Mitgestaltung beraubt und in eine aussenpolitische Abhängigkeit gepresst, ja erpresst wurde. Dennoch steht das Parlament auch in solchen Fällen in der Verantwortung, nach dem Spruch „mitgegangen, mitgehangen“.
Um Situationen, wie sie der Rat 2001 und 2009 erlebte, zu vermeiden, muss das Parlament seine Mitwirkungsmöglichkeiten stärken. Mit dieser Revision werden die Möglichkeiten zur vorläufigen Anwendung von Staatsverträgen beschränkt. Der Bundesrat muss die Zustimmung der zuständigen Kommissionen einholen, bevor er einen Vertrag vorläufig anwendet, und zwar braucht er die Zustimmung der Kommissionen beider Räte. Weiter werden die Regeln präzisiert und die Voraussetzungen aufgelistet, unter welchen der Bundesrat völkerrechtliche Verträge selbstständig abschliessen kann oder eben nicht.
Die Minderheit Joder will die Möglichkeit der vorläufigen Anwendung von Staatsverträgen ganz streichen. Das wäre natürlich eine klare Sache. Die SP lehnt diesen Antrag aber ab. Anders als die Minderheit Joder sehen wir darin keine Stärkung des Respekts vor der schweizerischen Demokratie. Wir sehen auch keine Stärkung der Position des Bundesrates auf dem aussenpolitischen Parkett – im Gegenteil: Die aussenpolitische Handlungsfähigkeit des Bundesrates und auch seine Möglichkeiten in Bezug auf die Verhandlungstaktik würden damit zu stark eingeschränkt.
Die SP-Fraktion lehnt den Minderheitsantrag Joder also ab. Sie ist für Eintreten auf das Geschäft. Sie wird den Anträgen der Mehrheit folgen und der Vorlage im Sinne der Kommissionsmehrheit zustimmen.