Heim Bea (S, SO): Der Initiative ist zugutezuhalten, dass sich die Politik ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzt und handeln will.
Es ist traurig, aber, dennoch, einfach wahr, dass kaum ein Tag vergeht ohne Enthüllungen über Missbrauchsfälle. Die Fälle, die für Schlagzeilen sorgen, sind nur die Spitze des Eisbergs. Vieles bleibt im Dunkeln. Ein grosser Teil wird nie strafrechtlich geprüft oder geklärt.
Hinsehen und nicht wegsehen. Viele Fälle von Kindsmissbrauch sind geschehen und können nur geschehen, weil die Gesellschaft wegschaut. Wie ist die Unkultur des Schweigens überhaupt möglich? Meistens traut man sich nicht, wirklich hinzusehen, weil Kinder missbraucht werden von Leuten, die eine gesellschaftliche Vertrauensstellung haben: Leute aus dem kirchlichen Umfeld, Lehrer, Erzieher, Leute, die in Jugendvereinen engagiert sind, Sporttrainer. Deren gesellschaftliches Engagement wird geschätzt, was den Blick trübt, um Warnzeichen zu erkennen.
Nur: Der Schutz des Kindes muss für die Gesellschaft und damit für uns in der Politik höchste Priorität haben. Dieser Schutz beginnt aber nicht erst nach den Untaten, sondern muss greifen, bevor es so weit ist. Wir müssen mehr tun für den Schutz der Kinder. Es braucht in allen Kantonen ein umfassendes Präventionsangebot gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern. Es braucht eine Sensibilisierungsarbeit, die Eltern, Lehrer, Fachpersonen sowie Kinder und Jugendliche in der Wahrnehmung und dabei stärkt, sich im Präventiven geschickt zu verhalten.
Wir können natürlich nicht alle Kinder vor allem Unheil schützen. Aber wir müssen alles unternehmen, um missbräuchliche Taten zu verhindern oder um ihnen zumindest keinen Vorschub zu leisten. Darum sollen Pädophile, die verurteilt sind, nicht mehr mit Minderjährigen oder Abhängigen arbeiten, auch nicht im Sport, auch nicht bei Freizeitaktivitäten. Denn Gelegenheit macht Täter. Ich wünschte mir, die Strafen würden dazu führen, dass die Täter selber zur Einsicht gelangen, dass sie um der Kinder willen, aber auch ihretwegen nie mehr mit Kindern und Abhängigen arbeiten sollten. Doch nach den Erkenntnissen der forensischen Psychiatrie ist Pädophilie durch das Risiko von Wiederholungstaten gekennzeichnet.
Wer kann also nach all dem Gesagten gegen die Stossrichtung dieser Initiative sein? Die SP ist es sicher nicht. Aber es geht einfach nicht, ein Strafmass zu verankern, das der Tatsache nicht Rechnung trägt, dass viele sexuelle Kindsmissbraucher von der Veranlagung her eben nicht pädophil sind. Es geht einfach nicht, einen schematischen Automatismus, der in Widerspruch zur schweizerischen und internationalen Rechtsprechung steht, in der Bundesverfassung verankern zu wollen.
Die Initiative schiesst also doppelt übers Ziel hinaus, da sie dem Richter nicht mehr erlaubt, verhältnismässig zu urteilen. Nein, ich spreche alles andere als dem Täterschutz das Wort. Der Schutz der Kinder hat für mich, muss für uns höchste Priorität haben. Dass der Richter in seinem Urteil bis zu einem lebenslänglichen Berufsverbot gehen kann, wie es auch der Gegenvorschlag vorsieht, ist richtig. Aber es ist eben nicht in jedem Fall richtig.
Sie haben die Beispiele gehört: Einvernehmlichen sexuellen Kontakt mit einer Fünfzehnjährigen als Kindsmissbrauch zu qualifizieren ist für mich ein Thema, das nicht ich beurteilen will und das nicht in der Verfassung zu beurteilen ist, sondern das der Richter zu beurteilen hat.
Zum Schutz des Kindes oder der Schutzbefohlenen ist es meines Erachtens auf jeden Fall unerlässlich, dass ein Bewerber nachweist, dass kein Eintrag im Strafregister gegen ihn vorliegt, wenn er sich bewirbt. Dass solche Bestimmungen auch für die Kirche Geltung haben sollen, ist eine Selbstverständlichkeit. Die Missbrauchsfälle innerhalb von religiösen Gemeinschaften dürfen nicht mehr intern bleiben. Sie gehören vor ein weltliches Gericht. Es darf ihn nicht mehr geben, diesen Mantel des Schweigens, nicht in den Kirchen, nicht in den religiösen Gemeinschaften, nicht in den Familien. Dafür hat die Politik zu sorgen.
Wir unterstützen damit den direkten Gegenvorschlag.