Heim Bea (S, SO): Steuersenkungen sind ja nicht gerade das Kernanliegen der Sozialdemokratischen Partei. Umso mehr lässt aufhorchen, was der unvergessliche, leider kürzlich verstorbene alt Finanzminister Otto Stich einmal gesagt hat: Würden alle ihre Steuern zahlen, könnte man die Steuern senken, und der Staat würde erst noch mehr einnehmen. Das ist schon rein finanzpolitisch gesehen interessant. Aber damit ist auch ein staatspolitisches Problem verbunden, das illustrieren Stammtischsprüche wie: „Der kleine Mann muss jeden Rappen abrechnen, und die Grossen können dem Fiskus auf der Nase rumtanzen.“ Es ist klar: Steuern zahlen ist nicht das liebste Hobby im Leben – aber solche Sprüche zeigen eben auch das schwindende Vertrauen der Bevölkerung in die Steuergerechtigkeit.
Da erstaunt der Bericht der Verwaltung: Er kann nämlich diese Skepsis nicht ausräumen, im Gegenteil. Der Bericht der Steuerverwaltung sagt, man sei heute an einem Punkt angelangt, wo die Rechtsstaatlichkeit nicht mehr gewährleistet werden könne. Das ist ja eigentlich auch nicht verwunderlich, wenn man die Personalentwicklung verfolgt. In den letzten Jahren wurde bei der Steuerkontrolle laufend Personal abgezogen; dies in Zusammenhang mit den Konsolidierungsprogrammen und der Einführung des Kapitaleinlageprinzips, mit der Abgeltungssteuer, den Doppelbesteuerungsabkommen usw. Die Aufgaben der Steuerverwaltung seien mit dem heutigen Bestand gar nicht zu bewältigen, vor allem nicht bei der Selbstveranlagung, wie z. B. bei der Mehrwertsteuer. So sagt der Bericht der Steuerverwaltung, dass vor allem das Wissen um diese fehlende Kontrolle das Verhängnisvolle sei; das Risiko, dass die Steuerverwaltung etwas entdecke, bestehe kaum mehr, weil die Ressourcen fehlen würden und weil das alle wüssten.
Ich spreche hier eigentlich weniger von Missbrauch, sondern von etwas Schlimmerem, nämlich davon, dass der Staat mit der zu laschen Aufsicht geradezu den roten Teppich ausrollt und zur Steuerumgehung einlädt. Es geht also darum, dass der Staat Fehlanreize schafft, die zur Verletzung der Rechtsstaatlichkeit führen. Wenn er nicht handelt, dann verletzt er aus meiner Sicht eigentlich selber die Rechtsstaatlichkeit.
Es geht darum, dass die Kontrollen nicht in angemessenen Fristen vorgenommen werden, und darum, dass die Rechtsstaatlichkeit nicht durchgesetzt wird.
Was will die Minderheit II? Nichts als nur die nötigen Ressourcen, um die Rechtsgleichheit durchzusetzen, um das nötige Personal für eine risikogerechte Steuerkontrolle im vernünftigen Mass. Es geht nicht darum, jeden Fall jedes Jahr zu durchleuchten. Aber es glaubt wohl niemand im Ernst, es sei haltbar, wie heute im Schnitt nur gerade alle 35 Jahre einmal eine Kontrolle zu machen.
Die Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit ist eine Kernaufgabe des Staates. Darum braucht es mehr Steuerinspektorinnen und Steuerinspektoren. Die Einzigen, die von der heutigen Laschheit profitieren, sind diejenigen, die darauf aus sind, Missbrauch zu betreiben, und die wollen wir doch einfach nicht schützen! 15 Millionen Franken für mehr Steuerpersonal ist ein stolzer Betrag, aber eine Investition, die mehr Gerechtigkeit und vor allem – denken Sie an Otto Stich – ein Vielfaches davon an Einnahmen bringt. Nur Vorteile also!
So sieht es ja auch die andere Minderheit. Auch sie findet die heutige Situation unbefriedigend. Ihr Vorbehalt, wie es Frau Quadranti gesagt hat, ist praktischer Natur: dass es schwierig sein werde, innerhalb nur eines Jahres hundert qualifizierte Steuerkontrolleurinnen und Steuerkontrolleure zu finden. Es sei ein Rekrutierungsproblem.
Ich bin gespannt auf das Abstimmungsresultat. Ich bitte Sie im Sinne des Erhalts der Rechtsstaatlichkeit, dem Antrag unserer Minderheit zuzustimmen.