Heim Bea (S, SO): Wirtschaftspolitik oder eben doch auch Gesundheitspolitik? Das Dossier Tabak betrifft jedenfalls die Verhandlungen der Schweiz mit der EU über ein Gesundheitsabkommen. Es handelt sich dabei um ein Abkommen, das für uns wichtig ist, um am Gesundheitsprogramm der EU teilzunehmen; es ist zudem auch wichtig in Bezug auf den Kampf gegen übertragbare Krankheiten und in Bezug auf den Bereich der Produkte- und Lebensmittelsicherheit. Ich erinnere Sie an den Dioxin-Skandal bei Fertigprodukten, um nur ein Beispiel zu nennen.
Stein des Anstosses sind die Tabakrichtlinien der EU. Dabei versucht nun die Schweiz, irgendeinen Weg zu finden, um doppelt zu profitieren. Zum einen will sie die gesundheitspolitischen Vorteile des EU-Abkommens, zum anderen will sie sich das Recht auf den Exportmarkt für starke Zigaretten in Drittländer sichern. Sie will davon profitieren, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten auf den Export von Zigaretten, welche die 10-1-10-Norm nicht einhalten, verzichten. Aber ist es nicht zynisch, im eigenen Land nur eine geringere Schadstoffmenge in Zigaretten zuzulassen – dies aus gesundheitspolitischen Überlegungen -, während man für Menschen in Drittländern das Argument vorbringt, dass es für die Gesundheit keine Rolle spiele, ob schwache oder starke Zigaretten geraucht würden? Mit Verlaub: Mir scheint das etwas gar starker Tobak zu sein! Wie ist es ethisch zu verantworten, gerade in solche Länder starke Zigaretten zu exportieren, wo viele Kinder schon in jüngsten Jahren rauchen? Indonesien sei als Beispiel genannt; dort wird schon mit sieben Jahren geraucht. Ist es ethisch verantwortbar, eines der grössten Krebsrisiken dorthin zu exportieren, wo es keine Information, keine Präventionsbemühungen gegen Tabaksucht gibt, wo der grösste Teil der Bevölkerung keinen Zugang zu den teuren Behandlungen von Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen hat?
1500 Arbeitsplätze stünden in der Schweiz auf dem Spiel, schreibt Rudolf Minsch von Economiesuisse uns Parlamentsmitgliedern. Das bringt uns tatsächlich in ein Dilemma: Niemand – und am allerwenigsten die SP und auch ich nicht – will, dass diese Arbeitsplätze verschwinden.
Was soll man also tun? Innovativ sein, das ist die Antwort. Als Erstes sollte der Bund die 18 Millionen, mit denen er Tabakbauern subventioniert, in eine Zukunftslösung investieren, z. B. in echt gesundheitsschonende Filter. Das damit zu erobernde Marktfeld wäre viel grösser. Wir könnten so nämlich nicht nur in Drittländer, sondern auch in EU-Länder exportieren. Weiter sollten wir mit der EU eine Übergangszeit aushandeln, bis die Schweizer Tabakbranche eine Lösung gefunden hat. Eine begrenzte Zeit sollte es noch möglich sein, die starken Sorten zu exportieren, aber man soll dies bitte mit Präventions- und Informationsarbeit in diesen Drittländern verbinden.
All diese Punkte nimmt weder die ursprüngliche noch die vom Ständerat abgeänderte Motion Favre Laurent auf. Die SP-Fraktion hat am 9. Juni 2011 die Motion Favre Laurent abgelehnt; sie wird heute auch die vom Ständerat abgeänderte Motion ablehnen. Der Ständerat hat sie übrigens nur sehr knapp – mit nur einer Stimme Mehrheit – angenommen.
Schaffen wir Klarheit, und sagen wir Nein zu dieser Motion! Unser Nein soll eine Verpflichtung sein, die Branche der starken Zigaretten im Interesse der Arbeitsplätze, wie aber auch der Gesundheit, zu Innovationen zu bewegen und sie darin zu unterstützen.