Die Schweiz ist erpressbar geworden. Nein, ich rede nicht vom Bank- oder Steuerhinterziehungsgeheimnis, sondern von der Medikamentenknappheit. Wie kürzlich in den Medien zu lesen und zu hören war, bestehen Lieferengpässe bei wichtigen Präparaten. Die Herstellung von Medikamenten fällt der Globalisierung und dem Profitdenken der Pharmaindustrie zum Opfer. Die Pharmafirmen zentralisieren ihre Produktionsstätten und zementieren damit ihre Monopolstellung. Auch die Zulieferfirmen geizen mit der Verteilung ihrer wichtiger Rohstoffe.
Forschen wollen die Pharmaunternehmen nur noch in jene Richtungen, die die sattesten Gewinne versprechen. Eine Hiobsbotschaft für alle, die an seltenen, sprich unrentablen Krankheiten leiden. Da ist es schon sehr blauäugig, wenn Bürgerliche von ethischer Verantwortung der Pharma säuseln.
Mehr Unabhängigkeit in der Forschung!
Ein krasses Beispiel ist die steigende Antibiotikaresistenz. Unsere Waffen gegen gefährliche Bakterien werden stumpf. Mehr Vernunft im Einsatz und neue Antibiotika braucht die Medizin. Hier zu forschen bringe zu wenig Rendite, so die kühl kalkulierende Antwort aus der Branche. Es sei denn, die Politik sorge für längere Patentfristen. Auch Europa diskutiere darüber, weniger über die Resistenzentwicklung als vielmehr über die Forderung nach finanziellen Anreizen in der Pharmaforschung. Und dies seit Jahren – derweil steigt die Zahl der Todesfälle, denn die Verbreitung resistenter Keime verläuft exponentiell. – Warum ist die Erforschung von Medikamenten gegen Killerbakterien nicht Gewinn versprechend? Weil diese Mittel meist nur kurze Zeit verabreicht werden. Pillen gegen chronische Krankheiten hingegen garantieren einen jahrelangen Absatz, sprich satte Gewinne. Das ist der Markt. Es zählt der Profit und nicht der Patient. Da muss der Staat regelnd eingreifen, für mehr Vernunft im Einsatz von Antibiotika und für mehr industrieunabhängige Forschung.
Mehr Unabhängigkeit für die Prüfstelle der Medikamente!
Der Kritik, ebenfalls nicht frei vom Profitdenken zu sein, muss sich selbst jene Behörde stellen, die für die Sicherheit der Medikamente zuständig ist. Wie glaubhaft ist eine staatliche Prüfstelle, die sich zu einem guten Teil von der jährlichen Abgabe auf die Zahl der verkauften Arzneimittel finanziert? Dies könnte auch erklären, weshalb sie sich damals sträubte ein viel verkauftes, aber gefährliches Rheumamittel vom Markt zu nehmen. Sie fürchtete wohl um ihre Einnahmen. Wo bleibt da die Unabhängigkeit genau der Stelle, die im Interesse der Allgemeinheit die Sicherheit der Medikamente zu gewährleisten hat, wenn sie sich als Prüf- und Marktüberwachungsstelle über die Umsatzsumme der von ihr zum Verkauf zugelassenen Medikamente finanzieren muss? Eine Zulassungs- und Aufsichtsbehörde muss doch unabhängig sein. Nur so ist sie für ihre Aufgabe legitimiert.
Mehr Unabhängigkeit für Ärztenetzwerke!
Politik ist dem Allgemeinwohl verpflichtet, darf sich nicht zum Spielball profitorientierter Interessen machen. Darum muss sie in ihrer Aufsichtsfunktion unabhängig sein, gerade wenn Krankenkassen auf vertragliche Geheimhaltung(!) pochen. Wir stehen vor der Abstimmung zu Managed Care. Hauptknackpunkt der Vorlage ist für mich die leidige, im Gesetz unlimitierte Budgetmitverantwortung. Sie setzt die falschen Anreize, indem sie Ärztenetzwerke zu Risikoselektion und zu Unterversorgung animiert. Nur mit viel Aufwand habe ich eine Managed Care Vereinbarung einer Krankenkasse zu Gesicht bekommen. Nun weiss ich warum. Sie verlangt nämlich die „Geheimhaltung sämtlicher … erzielter Ergebnisse…, die Geheimhaltung aller Informationen…, die zur geschäftlichen Geheimsphäre gehören.“ Aber nicht genug, die Kasse zahlt sogar die Managementausbildung der ärztlichen Netzleiter und im Vertrag will sie weitere Prämiengelder einsetzen auch für die „Beeinflussung der politischen Rahmenbedingungen zwecks Förderung der Budgetmitverantwortung …“. – Aber Krankenkassenprämien sind weder dazu da Manager auszubilden, noch Politik zu machen, sondern zur Finanzierung einer vollumfänglich guten Behandlung. Hier hat die staatliche Aufsicht zum Rechten zu sehen, kritisch und unabhängig.