Ein überbewerteter Franken als Damoklesschwert

  • 08. Oktober 2011
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Ein überbewerteter Franken als Damoklesschwert

Schwere Kost für die knapp 20 Gäste, welche der Reihe « Bea Heimlädt ein» ihre Aufwartung machten. Die Losung «Der starke Franken als potenzieller Jobkiller und Arbeitsplatzvernichter» hing am Mittwochabend doch schwerer als erwartet über deren Köpfen im «Kreuz» Olten.

von Urs Huber
 
Wenn Stahl «weich» wird
Wohl am prägendsten fielen die Worte von Stuber aus, der über die betriebsinternen Nachteile eines starken Frankens und – im Vergleich zum benachbarten Ausland – markant höhere Strompreise berichtete. Bei Gott nicht marginal, gehört Stahl Gerlafingen doch zu den energieintensivsten Betrieben der Schweiz. 0,8 Prozent der landesweit jährlichen Stromproduktion werden dort benötigt, um jährlich mit 580 Mitarbeitenden rund 800000 Tonnen Schrott zu hochwertigem Stahl zu verarbeiten. Die Metapher der ungleich langen Spiesse war darum rasch zur Hand. Augenfällig ein Beispiel: Die Energiekosten pro Tonne Walzgut liegen bei Stahl Gerlafingen AG, einem Unternehmen der italienischen Beltrame Gruppe, bei 60 Franken; an andern gruppeneigenen Standorten liegen diese markant tiefer; in Italien bei 40, in Frankreich bei 50 Franken. Stuber plädierte deshalb für inländische Strompreise, welche die Wettbewerbsfähigkeit des Stahlproduzenten nicht beeinträchtigen. Der Geschäftsführer liess keine Zweifel aufkommen: Diesbezügliche politische Vorstösse begrüsst er.
 
Neben den ungleichen Strompreisen wird die Stahl Gerlafingen AG auch vom tiefen Wechselkurs zum Euro geplagt. Die Bruttomarge (davon werden Personal, Energie, Unterhalt usw. bezahlt) pro Tonne Stahl habe vor drei Jahren noch 600 Euro betragen, heute liege sie noch bei rund 300 Euro. Durch die gegenwärtige Situation sei die Realisierung des Masterplanes von 2008 ins Stocken geraten; der Stahlmattenexport derzeit auf Eis gelegt. «Nicht mehr rentabel», so Stuber kurz. «Einen Eurokurs von 1.30 bis 1.35 brauchen wir unbedingt», so der Geschäftsführer dezidiert. Darum habe ihn die seinerzeitige Botschaft aus dem Bundesrat, die Stabilisierungsbemühungen durch die Nationalbank bei 1.20 verharren zu lassen, mehr als aufgeschreckt.
 
Harter Franken als Jobkiller
Ins selbe Horn, wenn auch aus der Warte der Arbeitnehmenden, blies mit Daniel Lampart der Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Durch die Frankenschwäche würden diverse Arbeitgeber die ausgehandelten Tariflöhne umgehen – und speziell im Grenzraum – Grenzgänger zu geringeren Löhnen einstellen. «Ich aber sage: Wer in der Schweiz arbeitet, der hat auch das Recht auf einen Schweizer Lohn», so Lampart plakativ. Und weiter monierte der Gewerkschafter, dass unter den gegenwärtigen Umständen die Verlockungen der Arbeitgeber, bei Neueinstellungen lohndrückend aufzutreten, besonders gross seien. Der Gewerkschafter sah darin auch einen Nährboden für rechtes Gedankengut, welches die Zusammenarbeit mit Europa für schlecht halte und Fremdenfeindlichkeit schüren wolle. Lampart sah durchaus den sozialen Frieden gefährdet, sollte die Nationalbank nicht auf einer höheren Ebene den Franken stützen und damit für Entspannung sorgen. Andernfalls sah Lampart auch Arbeitsplätze, vor allem im industriellen Sektor, schwinden. Dabei habe die Schweiz vor 2008 beweisen, dass sie im Sekundärsektor durchaus konkurrenzfähig sei und spitzentechnologisch mithalten könne. «Dies entgegen jenen Prognosen, die vor Jahren dem Werkplatz Schweiz das Ende prophezeiten und die Gesellschaft an Computern und im Dienstleistungssektor beschäftigt sahen.» Den Kurs auf 1.20 zu halten sei aber markant zu wenig, denn die Nationalbank habe bei Weitem mehr Potenzial. Der Kurs müsse auf 1.40 stabilisiert werden können. Das sorge für Lohn- und Arbeitsplatzsicherheit. Einen Kurs von 1.50 bezeichnete der Ökonom gar als Komfortkurs.
 
Bildung, Bildung, Bildung
Auch wenn es etwas gebetsmühlenartig klang, was Christoph Koellreuter als eines der Rezepte gegen die Folgen des harten Franken ausgab: Es änderte doch nichts an deren Gehalt: Der Mann forderte verstärkte Bildung und Forschung, um Innovationsfreudigkeit zu zementieren und weiter zu fördern, denn im asiatischen Raum werde ungeniert kopiert und zu weit tieferen Löhnen hergestellt. Allerdings sehe sich etwa China auch mit dem Umstand konfrontiert, dass Produktionen ins noch billigere Vietnam oder Kambodscha ausgelagert würden. Dennoch: «Wir müssen noch besser werden und möglichst viele zusätzliche global wettbewerbsfähige Arbeitsplätze schaffen, um wegbrechende ersetzen zu können», so Koellreuter.
 
Nach mehr als zwei Stunden fand die Veranstaltung ihr Ende. Nationalrätin Bea Heimhatte mit ihrer Themenwahl einen Nerv getroffen, der gegenwärtig «eingeklemmt» scheint, wie man volkstümlich-medizinisch sagen würde. Heiterkeit suchte man an diesem Abend übrigens vergeblich, die Situation schien doch allen Anwesenden irgendwie zu ernst.

Quelle: Oltner Tagblatt vom 7. Oktober 2011

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