Zum 1. August in Langendorf

  • 01. August 2011
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Es ist mir eine Freude, heute mit euch, mit Musik und Fahnen, Raketen und einem tollen Risotto, auf das ich mich jetzt schon freue, den Geburtstag unseres Landes zu feiern. Dabei gehen mir die Bilder der katastrophalen Hungersnot am Horn von Afrika nicht aus dem Sinn. Eine Gruppe von Kindern ist dieser Tage in ihrem Quartier von Haus zu Haus gezogen und mit ihren Liedern um eine Spende für die Glückskette gebeten. 470 Franken sind zusammengekommen.


Das hat mich beeindruckt, das ist für mich gelebte Solidarität über viele Landesgrenzen hinweg und zeugt von Mitgefühl und Respekt gegenüber notleidenden Menschen. Das ist typisch schweizerisch.
Auch die Geschichte des Bundesstaates Schweiz, dessen 163. Geburtstag wir heute feiern, zeichnet sich aus durch den gegenseitigen Respekt der Menschen, das friedliche Nebeneinander von verschiedenen Sprachen, Dialekten und Kulturen, durch Solidarität zwischen arm und reich, alt und jung, Frau und Mann, durch die Hilfe an Menschen, die um Leib und Leben bangen oder unverschuldet in Not gelangt sind, durch Toleranz gegenüber andern politischen Meinungen und Religionen. Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen, dieser Satz steht am Anfang unserer Bundesverfassung. Hetze auf Andersdenkende, Andersgläubige, Anderssprachige hat in unserem Land keinen Platz. Wir sind dem Frieden verpflichtet.

Das sage ich auch im Gedenken an die Opfer in Norwegen. Mir ist es wichtig, dass wir zu unserer politischen Kultur Sorge tragen, dass uns die Verteidigung der Menschenwürde Pflicht ist, dass wir Benachteiligte nicht demütigen sondern ihnen helfen in einem Klima des Respekts.

„Es gibt“, so sagte Max Frisch, „einen menschlichen Massstab, den man nicht verändern, sondern nur verlieren kann“. Respekt ist der Schlüssel zur Demokratie, die es immer wieder neu zu gestalten gilt. Tun wir das nicht, so verschwindet sie langsam, sang- und klanglos. In dieser Debatte unserer Grundwerte feiern wir heute unseren Nationalfeiertag – Anlass genug sich Gedanken zu unserem Land, unserer Heimat zu machen.
Heimat hat in diesen Tagen Konjunktur. Schweizerkreuze dekorieren die Schaufenster der Geschäfte und die Hemdkragen von Politikern, Werbespots strapazieren heimatliche Gefühle bis zur Schmerzgrenze, ob Käse, Früchte, Fleisch oder Sackmesser, alles muss das Schweizer Kreuz tragen, „ich weiss warum“! Swissness ist Trumpf, ein offenbar sicheres Mittel, um Marktanteile zu erobern und Wahlen zu gewinnen.
Heimat, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ist für mich aber bedeutend mehr. Heimat ist das Gefühl – verstanden und gehört werden, angenommen und respektiert zu sein, am Arbeitsplatz, im Freundeskreis, daheim in der Familie und in der eigenen Gemeinde.

Willi Ritschard hat es auf den Punkt gebracht: „Heimat ist dort, wo man keine Angst haben muss.“
Heimat ist dort, wo wir darauf vertrauen können, geschützt zu sein, gegen Armut, Einsamkeit und Verbrechen. Wo wir wissen, dass Schulen, Spitäler, Züge, Polizei, die Versicherung bei Arbeitslosigkeit und die AHV funktionieren, und für uns da sind, wenn wir sie brauchen. Heimat ist dort, wo wir die Menschen kennen, die Nachbarn, die Verkäuferin an der Kasse, den Pfarrer, die Leute am Postschalter. Heimat ist dort, wo wir die Regeln kennen und sie mitbestimmen  können.
Das zeigt sich an so Alltäglichkeiten wie Öffnungszeiten der Gemeinde und der Post, oder eben zu wissen, wann der Abfallsack rausgestellt werden darf.

Aber Heimat ist nicht einfach ein Geschenk des Himmels. Heimat will geschaffen sein, ist der Wille eine starke Gesellschaft zu sein und unser Zusammenleben gemeinsam zu gestalten. Dieses Wir-Gefühl ist es, das uns diese Heimat bietet.
Heimat bedeutet die Freiheit zu haben, sein eigenes Leben innerhalb der Grenzen dieser Gemeinschaft  zu leben. Heisst auch, sich über die Heimat ärgern zu dürfen und zu ändern, was sich ändern lässt.

Diese Freiheit – ist aber nicht die Freiheit des Fuchses im Hühnerstall.   Nicht die Freiheit, sich über Regeln hinwegzusetzen Nicht die Freiheit, auf Kosten zukünftiger Generationen zu leben. Nicht die Freiheit sich zu Lasten der Allgemeinheit zu bereichern.

Wer den Fuchs als Hüter seiner Hühner einstellt wird den Schaden haben und braucht sich darüber nicht zu wundern. Die Abzockerei in den Teppichetagen schadet dem Zusammenhalt im Land, vergiftet das politische Klima, schafft Aggression, Neid und Angst. Das ist politisch höchst brisant. Wenn sich der Fuchs im Hühnerstall hemmungslos bedienen darf, ist der Reichtum schnell dahin.
In den letzten 10 Jahren sind die hohen Einkommen bis zu 20 Prozent gewachsen. Die mikrigen Erhöhungen der tiefen und mittleren Löhne haben die steigenden Mietzinsen und Krankenkassenprämien gleich wieder weggefressen. Noch drastischer sieht es bei den Vermögenaus. Gut 20% der reichsten Steuerpflichtigen verfügen über fast 90 Prozent des Gesamtvermögens. Wen wundert da noch die zunehmende Polarisierung in unserem Land.

Wie der Fuchs im Hühnerstall, so führt sich auch die südafrikanische Konzernleitung der SAPPI, bei der Papieri in Biberist auf. Günstig übernimmt der Weltkonzern diese Perle von einem Schweizer Betrieb mit einer topmotivierten Belegschaft. Und kaum stimmt die Rendite nicht mehr, werden 550 Leute, die über Jahre Gewinn und CEO-Gagen erarbeitet haben, auf die Strasse gestellt. Das ist brutal. Wer nur die Profitmaximierung im Auge hat, vergisst die Menschen.

Was in Biberist, Attisholz, Schönenwerd usw. passiert ist, und noch passiert, ist Ausverkauf der Heimat, Ausverkauf unseres Wissens, Verrat an uns und unseren Arbeitskräften.
Ich frage mich, warum findet in unserem Land der Glaube, der Markt allein richte, ja heilige alles, immer wieder politische Mehrheiten? Die blanke Profit-Maximierung ohne soziale und ökologische Leitplanken übergeht die Menschen. Und ich frage weiter: Warum nur delegiert das Schweizer Volk politische Mehrheiten nach Bern, deren Politik den Privilegierten dient, statt der Allgemeinheit?

Wohlstand und Zufriedenheit schaffen wir nur, wenn wir in die Menschen in diesem Land investieren, mehr Wertschätzung der Arbeit, mehr Sicherheit auf die Verlass ist, mehr Heimat schaffen! So wie jene Kinder, die in ihrer Freizeit für die Hungernden am Horn von Afrika Geld gesammelt haben, so leisten Unzählige unter uns Freiwiligenarbeit für die Gemeinschaft. Hierzulande wird sehr, sehr viel, selbstverständlich, ohne Aufhebens und von der Öffentlichkeit meist unbemerkt, aus persönlichem Engagement geleistet, unentgeltlich und freiwillig. Aus Freude. Der Kreis der Menschen, die sich für andere einsetzen, ist gross, viel grösser als man glaubt

Ohne ihren Einsatz  würde vieles, sehr vieles in Wirtschaft und Gesellschaft nicht mehr funktionieren.   Freiwilligenarbeit hat Tradition, in der Kirche, in Pflege und Betreuung, im Bildungswesen, im Umweltschutz und der Politik, ob in der Schulpflege, im Gemeinderat, in der Feuerwehr, im Samariterbund oder in der Dorfmusik. Freiwilligenarbeit ist gelebte Solidarität. Ohne die Dienstbereitschaft der Freiwilligen wäre unsere Gesellschaft arm dran, arm an Hoffnung, an Erneuerung, arm an menschlicher Wärme auch. Die Freiwilligen sind die Pioniere, die der Gesellschaft die Augen und der Politik das Herz öffnen.   In den Milliarden Stunden an FWA, die in der Schweiz geleistet werden, ist eine tüchtige Portion Langendörfer Engagement mit drin, so viele Vereine und Organisationen, wie es hier hat. Viel wird geleistet, kein Verein ist mehr wegzudenken. Sie machen Langendorf lebens- und liebenswert.

Von Schützen, die ins Schwarze treffen, wird Kameradschaft, Zuverlässigkeit und höchste Präzision verlangt. Typisch schweizerische Eigenschaften. Auch bei der Musikgesellschaft, beim Jodeln und Chorsingen, geht es um die Gemeinschaft, um mit der Fertigkeiten am Instrument, in der  Stimme und in der Auseinandersetzung mit dem musikalischen Werk ein Ganzes zu schaffen. Musik befreit die Herzen vom Alltag und verleiht ihnen Flügel zu Freundschaft und Geselligkeit.
An den Kantonalmeisterschaften in Welschenrohr habe ich den Langendörfer Sportgeist erlebt, den Jubel auch bei der Bekanntgabe der Resultate. Der STV Langendorf hat in allen bestrittenen Disziplinen den Kantonalmeistertitel zurückerobert. Herzliche Gratulation! Heute, da alle über die Gesundheitskosten stöhnen, kann nicht genug gesagt werden, „Blib fit!“ Sport mit Mass kann den Gesundheitskosten ein Schnippchen schlagen   Beispielhaft ist auch das ökumenische Zentrum. Das Ergebnis gelungener Langendörfer Politik, einer Politik die das Gemeinsame sucht, nicht das Trennende.

Ich wünschte die nationale Politik würde sich daran ein Beispiel nehmen.   Mich bewegt, ein Traum: dass dieser Geist, gemeinsam Heimat zu schaffen, weiter wächst und die Barrieren in unseren Köpfen und Herzen  öffnet. Weshalb macht man  FWA? – Sie bereichert das Leben, verleiht ihm zusätzlich Sinn und ist eine Chance,  Fähigkeiten zu entdecken, Kompetenzen zu erwerben, Freundschaften zu finden, dann und wann sogar die Liebe des Lebens. FWA kann die Chance sein, die Zukunft ins Rollen zu bringen.

Was Tschernobyl nicht bewegen konnte, schaffte der Protestmarsch nach Leibstadt nach dem Supergau in Fukushima. Wer hätte je geglaubt, dass der Bundesrat den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie propagieren würde? Zum Nachteil der Wirtschaft? Die neusten Meldungen zeigen das Gegenteil: die Stromwende beflügelt z.B. die ABB. Der Industriekonzern liefert die Technik für die Energiezukunft,  in Grenchen werden die besten Solarzellen der Schweiz hergestellt, das Baugewerbe boomt noch zusätzlich. Die Energiewende ist eine Herausforderung     Aber wir wissen, dass wenn alle auf der Erde so weiterleben wie wir jetzt, so viel Auto fahren, heizen, so viel Fleisch essen, müssten wir uns  eine 2. Erde kaufen können.  

Die Herausforderung der Zukunft heisst darum „Qualitatives Wachstum“, Wachstum ohne ständig mehr Ressourcen- und Energie zu verbrauchen. Ich bin überzeugt: Eine Wirtschaftspolitik der Nachhaltigkeit stärkt die Schweiz, sie schafft neue Industriezweige und Tausende neue Arbeitsplätze    

Langendorf gehört in Sachen Energie zu den Pioniergemeinden. Hier wurde schon 2008 das Solardachprogramm „100 jetzt“ gestartet. Super! Viel wurde erreicht und es geht weiter mit energetischen Modernisierungen privat und in der Gemeinde, nach dem Motto: „mir mache eifach, ohni das a die grossi Glogge z’hänke.“   So nimmt Langendorf beispielhaft seine globale Mitverantwortung wahr.   Und trägt damit zur Unabhängigkeit unseres Landes bei, zur Unabhängigkeit von Gadhaffis und anderen Energiemagnaten.   Erneuerbare Energien schaffen Freiheit, Arbeit und Wohlstand.   Eine Schweiz mit Herz für Mensch und Umwelt. Das ist Heimat!  

Ich wünsche euch, uns allen, einen fröhlichen, zuversichtlichen 1. August.

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