Der 14. Juni ist jedes Jahr ein besonderer Tag, der 14. Juni 2011 ist ein ganz besonderer Tag, schliesslich haben wir etwas zu feiern:
40 Jahre Wahl- und Stimmrecht, 30 Jahre rechtliche Gleichstellung in der Bundesverfassung und 20 Jahre sind es seit dem Frauenstreiktag her. Eine nationale Aktion, welche die Schweiz bewegt hat und zwar nachhaltig bewegt hat. Lauter runde Geburtstage als, doch punkto gleiche Chancen und gleiche Rechte ist das Ziel bei weitem noch nicht erreicht.
Oder verdienen Frauen heute etwa gleich viel für die gleiche Arbeit wie ihre männlichen Kollegen? Wie steht‘s mit Frauen in Chefetagen, Verwaltungsräten, CEO-Posten, als Professorinnen an den Universitäten und in der Politik?
Der Lohnunterschied zwischen Frau und Mann bei gleicher Arbeit und gleicher Qualifikation beträgt bekanntlich noch immer noch fast 20 Prozent. Ein grosser und vor allem nicht begründbarer Unterschied. Deshalb ist hier der Begriff der Diskriminierung sicher nicht falsch. Dieser Unterschied wirkt sich für die Frauen auch im Alter nachteilig aus.
Die Altersarmut ist weiblich
Entgegen dem Klischee der «reichen Alten» ist die Altersarmut vor allem bei den Frauen verbreitet. Die Hälfte aller Frauen im Rentenalter haben lediglich eine AHV-Rente und keine 2. Säule. Das bedeutet, sie müssen mit Fr. 1‘800.- pro Monat auskommen, dies nach einem Leben gefüllt mit Berufsarbeit, Kinder grossziehen und oft auch noch mit Pflegebetreuung von Angehörigen.
Was noch heute die Frauen im Berufsalltag bremst, Lohndiskriminierung, volle Zuständigkeit für die Familienarbeit und damit verbunden mangelnde Aufstiegschancen, alle diese Karriere-Hindernisse treffen die Frauen im Rentenalter gleich noch einmal und zwar empfindlich.
Kein Wunder prägen die Gewerkschaftsfrauen den Satz: «Erst Lohnbetrug, dann Rentenklau».
Anerkennung der Familien- und Betreuungsarbeit – denn ohne geht es nicht!
Was wäre die Lösung, die aus der Falle der «Nicht Anerkennung» der Familien- und Betreuungsarbeit befreien würde?
Sie klingt einfach und ist wohl visionär, obwohl sie für ein echt partnerschaftliches Zusammenleben an sich eine Selbstverständlichkeit wäre: die partnerschaftliche Aufteilung der Familienarbeit. Das erfordert bestimmte gesellschaftliche Rahmenbedingungen: Förderung des Job-Sharings und Umsetzung der Lohngleichheit. Die Gesellschaft muss sich endlich des Wertes der Familien- und Betreuungsarbeit bewusst werden, auch dass diese für das Funktionieren unserer Gesellschaft schlicht unverzichtbare Arbeit etwas kostet und Annerkennung verdient.
Durchsetzung der Lohngleichheit – aber wie?
Offensichtlich reicht die verfassungsrechtliche und gesetzliche Garantie der Lohngleichheit nicht. Es braucht demnach verbindliche Massnahmen und Mechanismen zu deren Durchsetzung: Gleiche Löhne für gleiche Arbeit. – Wichtig ist zudem die Aufwertung der typischen Frauenberufe. Ein wesentlicher Beitrag kann die Mindestlohninitiative leisten mit ihrer Forderung nach einem Lohn von mindestens Fr. 22.- in der Stunde. Davon würden rund 280‘000 Frauen in Tieflohnbranchen direkt profitieren.
Lohngleichheit und Aufwertung der noch immer typischen Frauenberufe bringen allen mehr Freiheit, auch den Männern. Mehr Freiheit ihr Leben zu gestalten, sich den Kindern widmen zu können, sich auch Zeit für ihre Weiterqualifizierung zu nehmen.
Familienfreundlichere Arbeitswelt!
Heute fehlt es an familientauglichen Infrastrukturen. So fehlen rund 50‘000 Kindertages-Plätze. Auch das erschwert Eltern, sich ihre Erwerbs- und Betreuungsarbeit aufteilen.
Schluss mit dem Schneckentempo in der Gleichstellung!
Die Politik muss weiblicher werden,
muss mehr für die Menschen in unserem Land tun
In Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sind Frauen nach wie vor untervertreten. Das weibliche Prinzip kann so nicht zum Tragen kommen, vor allem nicht an den Schalthebeln der Macht. – Erfreulich und für Schweizer Verhältnisse schlicht sensationell ist die aktuelle weibliche Mehrheit im Bundesrat. Doch schon im Nationalrat sind nur ein Drittel der Räte Frauen, in kantonalen Parlamenten sind im Schnitt ein Viertel der Mitglieder Frauen, im Ständerat ein Fünftel wie auch in den kantonalen Regierungen. Das muss sich ändern.
Bea Heim, Nationalrätin