Seit mehr als 120 Jahren GenossInnen singen wir dieses Lied am 1. Mai. Die einen singen es mit erhobener Faust, andere mit einem kaum verhehlten Schmunzeln: Politfolklore halt, aus vergangene Zeiten – oder eben doch sehr aktuell?
Internationale Solidarität versus globalisierte Verantwortungslosigkeit
Denken wir an das Drama in Japan! Kaum vorstellbar, wie sich in diesen Wochen des Grauens die Tausenden von Menschen in und um Fukuschima fühlen: ohnmächtig, dem Schicksal ausgeliefert als Verdammte dieser Erde, in diesem AKW-Super-Gau ohne Ende.
Oder wie müssen sich jene 15’000 Menschen vorkommen, die als Folge der letzten Revision der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert worden sind?
Das ist das Ergebnis der bürgerlicher Politik: Den Reichen macht man dicke Steuergeschenke, den Opfern der Finanz- und Wirtschaftskrise radiert man den Versicherungsschutz weg, und lässt die Angestellten, Arbeiterinnen und Arbeiten für die Krise bluten. Das ist verdammt ungerecht!
Genossinnen und Genossen, Kolleginnen und Kollegen
Der Erste Mai ist der Tag derer, die arbeiten. Und nicht derer, die andere oder das Geld für sich arbeiten lassen.
Diesen aber sagen wir heute und das in der ganzen Schweiz, unmissverständlich was Sache ist. Wir sagen es durch unsere Präsenz in den Strassen, in den Medien und mit klaren Forderungen:
- Schluss mit der Abzockerei
- Schluss mit den andauernden Angriffen auf AHV, IV, auf unsere Sozialwerke.
- Schluss mit der Lohndrückerei!
Wir fordern gute Löhne und gute Renten!
Wir fordern Gerechtigkeit und Solidarität – und das für alle!
Wir fordern mehr Respekt und Wertschätzung gegenüber der Arbeit und gegenüber denjenigen, welche von und für ihre Arbeit und ihren Lohn leben.
An sich hätte man ja eigentlich erwarten können, dass die Finanzkrise die „Wirtschaftskapitäne“ zu mehr Einsicht und Verantwortungsbewusstsein geführt hätte. Das Gegenteil ist der Fall: Es wird weiter abgezockt, die Konzernbosse schanzen sich immer noch höhere Gehälter und noch mehr Boni zu, als wäre nichts gewesen!
Isch denn noni gnue Heu dunde?
Ich denke an die vielen Menschen, die allein in unserem Kanton bis heute schon wegen Spekulation und kurzsichtiger Gewinnmaximierung ihre Arbeit verloren haben – Ich denke dabei an die Leute von Borregard Attisholz, der Dihart in Dulliken, der Mühlemann in Biberist und ich denke ganz speziell an die 550 Arbeitnehmenden und ihre Familien, die nicht wissen, ob und wie es weiter geht mit der Papieri in Biberist. – und heute erreichen uns neue Hiobsbotschaften zum Stahlwerk Gerlafingen.
Ich habe es noch gut in den Ohren, das Dröhnen der Trommeln, wie die Schritte der Demonstrierenden hart und entschlossen auf dem Betonboden aufschlugen, im dunklen Tunnel unter der Bahnlinie vor dem Fabrikgelände, beim Marsch auf die Papieri vor drei Wochen. Die ganze Region ist empört. Und was es bedeuten kann, wenn eine ganze Region nicht nur empört ist, sondern zusammensteht und gemeinsam kämpft, das haben die Officine in Bellinzona gezeigt: Vor zwei Jahren bereits zur Schliessung verdammt, arbeiten heute die Kollegen in den SBB- Werkstätten noch immer – dank dem Kampf des ganzen Tessins.
Wie heisst es in der „Internationalen?
„Ein Nichts zu sein, tragt es nicht länger, alles zu werden strömt zu hauf…“
Aus allen Dörfern der Region strömten die Menschen herbei, um ihren Widerstand zu demonstrieren. Weder Parteifarbe, Titel oder Status spielten eine Rolle. Alle marschierten für die Arbeitsplätze in der Papieri, die Arbeiterin im Gleichschritt mit Regierung, Werkleitung, Familien und Kinder zusammen mit der Politprominenz unter den Fahnen der Gewerkschaften und der Gemeinde.
Es war als ob der 1. Mai –Gedanke sich hier schon zeigte.
Tausende zogen aus Protest gegen diese Stratege der übertriebene und kurzsichtigen Gewinnmaximinierung auf Kosten der Arbeitsplätze durch die Strassen, demonstrierten Solidarität, Respekt und Wertschätzung für die Mitarbeitenden des Werkes, für deren Lohn und Arbeit.
Weltumspannend wird heute der 1.-Mai gefeiert – konzernumspannend, GenossInnen , man muss sich das mal vorstellen, in ganz Europa haben sich die Sappi-Betriebsräte mit den Leuten im Betrieb in Biberist solidarisiert.
Das ist gewerkschaftliche Solidarität – das ist der Kerngedanke des 1. Mais – die internationale Solidarität
Gewerkschaften, Regierung und der Bundesrat unternehmen alles, um die Konzernspitze von ihrem Vorhaben abzubringen.
Aber Südafrika ist weit weg. Wer von uns kennt auch nur die Namen der Sappi-Konzernleitungsmitglieder? Und wissen die überhaupt, wo Biberist liegt?
Die globalisierte Wirtschaft orientiert sich einzig an der Rentabilität. Überall in Europa scheinen sich Arbeitsbedingungen zu verschlechtern, überall wird die Migration missbraucht für Lohn- und Sozialabbau. Auch in der Schweiz. Das ist Missbrauch des freien Personenverkehrs. Wir fordern mehr Kontrollen, wir verlangen, dass die flankierenden Massnahmen, ein klarer Volksauftrag auch wirklich durchgesetzt werden.
Wie können wir uns gegen das Lohndumping zur Wehr setzen?
– indem die Arbeitnehmenden sich international organisieren und solidarisieren, und indem wir uns mit einer Mindestlohnpolitik, die europaweit greifen soll, wehren.
Gerechtigkeit und Solidarität, dafür stehen wir ein – die Finanzwelt hingegen scheint diese Begriffe nicht zu kennen.
Ihr erinnert euch: Es ist noch gar nicht lange her, da musste der Staat, da mussten wir alle mit unseren Steuerfranken die UBS retten. – Doch was machen „unsere“ Banken heute?
Nein, sie spekulieren mit dem Franken, jagen so den Frankenkurs in die Höhe. Die gleichen Banken, für die wir mit unserem Geld gerade stehen sollen, killen mit ihrer Geschäftspolitik nun unsere Arbeitsplätze, hier in der Schweiz!
Bundesrat und Nationalbank müssen dringend,
- die Devisenspekulation stoppen
- Ein klares Bekenntnis zum Werkplatz Schweiz ablegen und sich wirtschaftspolitisch nicht länger mehr am Gängelband der Finanzbarone vorführen lassen.
Industriepolitik
Es tut weh zu sehen, was heute noch und noch mit dem Werkplatz Schweiz passiert. Internationale Konzerne schnappen sich die schönsten Perlen an Unternehmen, höhlen sie aus, um sie in kurzer Zeit still zu legen und sich damit einen Konkurrenten vom Hals zu schaffen.
Das ist Ausverkauf des Werkplatzes Schweiz, anders kann man das nicht nennen.
Und warum passiert das gerade in der Schweiz? – Weil es in ganz Europa nirgends so leicht und billig ist ein Werk zu schliessen, den Schlüssel umzudrehen und zu gehen.
Das flexible Arbeitsrecht, von den Bürgerlichen als der Standortvorteil der Schweiz schlechthin gepriesen, entpuppt sich in der globalisierten Wirtschaft als der Arbeitsplatzkiller. Davon haben wir seit Jahren vergeblich gewarnt.
Die Schweiz braucht endlich einen besseren Arbeitnehmerschutz. Wir dürfen unsere unsere Leute doch nicht länger einfach so im Regen stehen lassen.
Und – Die Schweiz braucht endlich eine aktive Industriepolitik: eine Strategie zum Erhalt der Industriearbeitsplätze:
- Unterstützung der Industrie bei der Beschaffung von Rohstoffen und Energie. Schon 2009 habe ich dazu den Bundesrat zum Handeln aufgefordert, gerade mit Blick auf die Arbeitsplätze in Gerlafingen und in der Papierindustrie – aber er hat nicht gehandelt und will nicht handeln – das macht mich, das macht auch die Betroffenen wütend! – Wir lassen nicht locker, das garantiere ich euch, auch nicht in der
- Unterstützung der Industrie bei der energetischen Neuausrichtung in die Zukunft.
KollegInnnen, Fukushima hat gezeigt: die Atomenergie ist tödlich und niemand kann sie verantworten. Wir müssen aussteigen, Alternativen gibt es genug. Weg von der Atomkraft heisst Ja zum Leben, heisst Ja zu Arbeitsplätzen.
Unsere Zukunft liegt in der dezentralen, erneuerbaren Energiegewinnung. Energieeffizienz und nachhaltige Energiegewinnung bewahren unsere Lebensgrundlagen und schaffen Zehntausende von neuen, sinnvollen Arbeitsplätzen.
Ausstieg aus der Atomenergie
Jetzt, im Vorfeld der Wahlen, zeigen selbst Bürgerliche eine gewisse Einsicht. Wir werden nach den Wahlen sehen, wie ernst es ihnen damit ist.
Für uns ist klar: wir müssen weg von dieser veralteten, lebensgefährlichen Technologie. Je länger wir damit zuwarten, umso gefährlicher und teurer wird es.
Lohngerechtigkeit
Die Politik muss das Primat gegenüber Banken und Atomindustrie zurück erobern. Nur so kann sie künftige Desaster verhindern, nur so die Interessen der Mehrheit in diesem Land durchsetzen.
Die Mehrheit? Ja, sie fordert endlich Lohngleichheit von Mann und Frau. Dies fordern wir heute und fordern es auch mit landesweiten Aktionen am 14. Juni, am Frauenstreiktag. Die Frauen sind nicht bereit, noch einmal 30 Jahre zuzuwarten, bis die Gleichstellung in diesem Land endlich Realität ist.
Es geht um nichts mehr und nichts weniger als um Gerechtigkeit.
Wir müssen das Thema Lohngerechtigkeit überhaupt wieder ins Zentrum der politischen Debatte stellen.
Machen wir das mit der Mindestlohnforderung. Sie ist die richtige Antwort auf jene die Arbeit nur als Kostenfaktor sehen und Produktion als Geldmaschine für möglichst hohen Profit.
Man sagt, der Schweiz geht es gut- stimmt- aber nur eine Minderheit von Spitzenverdienern profitiert davon. Die sog. finanzielle Oberschicht ist der alleinige Gewinner des freien Personenverkehrs. Allen anderen fressen die hohen Mieten, die unaufhörlich steigenden Krankenkassenprämien die bescheidenen Lohnaufbesserungen gleich wieder weg.
Ja, die Lohnschere öffnet sich immer mehr – und Armut ist auch in der Schweiz eine Realität – brutal und beschämend.
Realität ist eben auch, dass 1,5 Mio Arbeitnehmende in diesem Land keinen gesamtarbeitsvertraglichen Schutz haben, dass 6 von 10 Lohnabhängigen in der Schweiz fast schutzlos dem zunehmenden Lohndruck ausgeliefert sind.
Mindestlöhne werden mehr Sicherheit bringen. Die Initiative für Mindestlöhne fordert 4000 Franken pro Monat.
Aber es geht um mehr. Es geht darum, dem nun 30-jhrigen Beutezug des Neoliberalismus mit Lust und Leidenschaft unsere Werte entgegen zu stellen:
- den Wert der Arbeit und derer, die sie leisten
- den Wert des Werkplatzes Schweiz
- den Wert einer lebensbejahenden Energiepolitik
- den Wert eines starken Staates, der seine Verantwortung gegenüber den Menschen tatsächlich wahrnehmen kann, eines Staates, der sich für die Mehrheit, nicht bloss für die Interessen von ein paar wenigen engagiert.
Wir wollen eine solidarische, eine soziale Schweiz, eingebunden in einer sozialen und solidarischen Weltgemeinschaft.
Richtig, seit 120 Jahren singen, träumen wir davon, dass die „Verdammten“ dieser Welt aufwachen.
Solange wir davon singen und träumen, bleibt die Hoffnung bestehen. Die globale Finanzkrise, deren Sanierung auf dem Buckel ganzer Volkswirtschaften, Betriebsschliessungen zur Profitmaximierung und die todbringenden Konsequenzen einer rein gewinnorientierten Energiepolitik sind deutliche Signale.
Brechen wir gemeinsam auf und sorgen wir für ein allgemeines Erwachen, damit der 1.Mai Gedanke um sich greift und immer mehr Leute einstimmen in unseren Chor und danach handeln.