Heim Bea (S, SO): Im 15. und 16. Jahrhundert musste das Volk in den Landsgemeindekantonen sämtliche Verträge und Bündnisse genehmigen – aber irgendwie muss das auf die Dauer zu einem Overkill geführt haben. Es sahen nämlich weder die Verfassung von 1848 noch diejenige von 1874 ein Staatsvertragsreferendum vor. Das Staatsvertragsreferendum in der heutigen Form ist seit acht Jahren in Kraft. In den letzten dreissig Jahren jedoch suchte man immer wieder nach Optimierungen, um die Mitwirkung der Stimmbürgerschaft und damit die demokratische Legitimität aussenpolitischer Entscheide zu stärken.
Die Politik der Schweiz steht und fällt mit der Beteiligung der Bevölkerung; das gilt für die Innen- wie für die Aussenpolitik. Die Volksrechte sollten daher für beide Bereiche kohärent sein. Genau das bringt der Gegenvorschlag zur Initiative: die Stärkung der Volksrechte nach dem Prinzip des Parallelismus. Ein Begriff, der sich leicht erklären lässt: Was nach unserer Bundesverfassung in einem referendumsfähigen Gesetz zu regeln ist, soll bei einem internationalen Vertrag dem fakultativen Referendum unterstehen. Staatsverträge, die einer Änderung der Bundesverfassung gleichkommen, sollen neu dem obligatorischen Referendum unterstehen. Das heisst, Staatsverträge, die Grundrechte, die Zuständigkeiten der Gewalten oder die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen betreffen, unterstünden dem obligatorischen Referendum. Das ist logisch, und das ist in sich geschlossen.
Die SP-Fraktion ist deshalb beim direkten Gegenvorschlag für Eintreten.
Hingegen lehnt die SP-Faktion die Initiative der Auns ab, denn diese stärkt entgegen ihrem noblen Titel die Volksrechte nicht, im Gegenteil: Sie verwässert sie. Die Initiative verirrt sich, wie schon zweifach gesagt wurde, in juristisch schwammige Formulierungen wie den Begriff „wichtige Bereiche“.
Welcher Sachbereich ist dann wichtig oder nicht? Das kann nicht allgemeingültig gesagt werden. Herr Hans Fehr verweist in seinem Feuer auf Artikel 164 der Bundesverfassung. Dort geht es aber nicht um „Bereiche“, sondern um „wichtige rechtsetzende Bestimmungen“, und das ist natürlich ein Unterschied. Wenn hier von „Bereichen“ gesprochen würde, hiesse das, dass sich das Parlament zunächst bei allen Verträgen in vermutlich zähen Auseinandersetzungen einigen müsste, ob dieser oder jener Sachbereich jetzt wichtig sei – und da gehen die politischen Interessen und Standpunkte auseinander. Vielleicht ist das von den Initianten gewollt, ein gewolltes Instrument, um die Aussenpolitik zu lähmen, zu verlangsamen; das wollen wir nicht.
Die Initiative verlangt zudem ein obligatorisches Referendum, falls die Schweiz je auf die Idee käme, Rechtsprechungszuständigkeiten – und wieder in sogenannt „wichtigen Bereichen“ – an das Ausland abzutreten. Es ist bisher nie geschehen, dass generell Rechtsprechungszuständigkeiten abgetreten wurden, und das ist unseres Erachtens politisch nicht denkbar.
Ein weiteres Problem ist die Forderung nach einem aussenpolitischen Finanzreferendum. Das ist vermutlich der erste Schritt hin zu einem auch innenpolitischen Finanzreferendum; wir lehnen beide ab. Grundsätzlich will die Initiative die Hürden für Staatsverträge erhöhen. Sie will die Zahl der Staatsverträge erhöhen, die unter das obligatorische Referendum fallen, um – und das wird auch im Argumentarium der Initiative ganz klar gesagt – mit wenig Aufwand, d. h. ohne den Aufwand für das Sammeln von Unterschriften, zu politisieren, d. h., um dafür effizienter Obstruktion in der Aussenpolitik betreiben zu können.
Wir meinen: Staatsverträge sind nicht per se zu verteufeln, sondern nüchtern zu beurteilen. Die Schweiz braucht wie jedes andere Land angesichts der fortschreitenden Globalisierung der Wirtschaft gute internationale Beziehungen und hat darum ein eminentes Interesse an der Entwicklung internationaler Rechtsgrundlagen, wie sie die völkerrechtlichen Verträge darstellen.
Die Initiative ist sicher nicht geeignet, dies zu fördern. Darum sagt die SP Nein zur Initiative, aber Ja zum direkten Gegenentwurf.
Erlauben Sie mir, wenn wir schon bei Volksrechten und völkerrechtlichen Verträgen sind, einige Bemerkungen zur Frage der Gültigkeit von Volksinitiativen. Die Volksrechte zu stärken heisst auch zu verhindern, dass die demokratischen Rechte ad absurdum geführt werden. Im Zusammenhang mit Volksinitiativen bedeutet dies, dass es, demokratisch gesehen, hochproblematisch ist, der Bevölkerung zu versprechen – erlauben Sie mir den Ausdruck: vorzugaukeln -, ein Initiativbegehren sei realisierbar, wenn internationale Verpflichtungen der Schweiz wie etwa Menschenrechtsverträge eine buchstabengetreue oder sinngemässe Umsetzung verhindern. Es stehen zwei Möglichkeiten zur Debatte, wie diese Frage geklärt werden soll.
Eine Möglichkeit, die der Bundesrat kürzlich präsentierte und die auch Gegenstand einiger Vorstösse ist, ist die sogenannte materielle Vorprüfung. Diese Vorprüfung durch eine politische, administrative oder gerichtliche Institution würde im Fall der völkerrechtlichen Unvereinbarkeit zu einem entsprechenden unverbindlichen Vermerk auf dem Unterschriftenbogen führen, wenn das Initiativkomitee nicht die Chance packt, das Begehren noch vor der Unterschriftensammlung anzupassen. Das ist, zugegeben, eine Minimallösung, aber sie schafft für die Leute, die unterschreiben, die notwendige Transparenz.
Der zweite Lösungsansatz zielt auf die Erweiterung der Ungültigkeitsgründe und könnte zusätzlich zur materiellen Vorprüfung zum Zug kommen. Eher als völkerrechtliche Schranken würde dieser Ansatz die Ungültigkeitsgründe aus den Kerngehalten unserer Grundrechte nehmen, die Grundrechte auf ihren unantastbaren Mindestgehalt reduziert. Der Entscheid über die Gültigkeit läge dabei weiterhin bei der Bundesversammlung.
Wir können mit diesen Geschäften spürbare Verbesserungen für die Stärkung der Volksrechte erreichen. Und – können die demokratische Legitimation der schweizerischen Aussenpolitik stärken, indem wir Volk und Ständen den Gegenentwurf zur Staatsvertrags-Initiative empfehlen, und wir können das Initiativrecht stärken, indem wir mehr Transparenz und präzisere Regeln schaffen.
Die SP-Fraktion lehnt die Auns-Initiative ab, sie lehnt auch sämtliche Minderheitsanträge ab und wird dem direkten Gegenvorschlag zustimmen.