«Männer vor eigenen Taten schützen»

  • 20. Januar 2011
  • Medien
  • 0 Kommentare
«Männer vor eigenen Taten schützen»

«Ich habe einen Freund verloren. Er hat sich mit einer Armeewaffe das Leben genommen», berichtete SP-Nationalrätin Bea Heim an der gestrigen Medienkonferenz des kantonalen Komitees Ja zum Schutz vor Waffengewalt. Jährlich gebe es 300 Schusswaffensuizide in der Schweiz; also fast einer täglich, so die Nationalrätin. Die Schweiz liege bei den Selbstmordraten europaweit an der Spitze, ebenso bei den tödlichen Familiendramen sei sie weit vorne.

«Ungezählt sind die Fälle an häuslicher Gewalt unter Waffendrohung.» Diese hinterlassen bei Betroffenen – gerade bei Kindern – oft tiefe Wunden, wie Daniel Barth, Solothurner Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, weiss. «Oft sind es keine kaltblütigen Gewalttäter, die innerfamiliäre Gewalt ausüben. Sie handeln eher durch Alkoholeinfluss oder im Affekt. Wäre die Waffe nicht sofort greifbar, würde die Situation nicht bis zur tödlichen Bedrohung eskalieren», ist Barth überzeugt. Und: Ueli Maurer habe gesagt, in weiten Teilen der Bevölkerung würde die Armeewaffe als eine Art Versicherung in Notlagen wahrgenommen. «Hier liegt wohl eine fatale Falle vor: Die häufigsten Notlagen, in welche Armeeangehörige bei uns geraten, sind nicht feindliche Attacken, sondern familiäre und suizidale Krisen», so Barth

Hans Kurt vertrat die Ja-Position der Dachorganisation der schweizerischen psychiatrischen Fachgesellschaft (FMPP) zur Initiative, über die am 13. Februar abgestimmt wird. Als Psychiater werde er in Sprechstunden oft mit dem Thema Waffen konfrontiert. «Für mich stellt sich dann die Frage: Was tue ich, wenn etwa eine Frau sagt, ihr Ehemann bedrohe sie mit der Waffe?». Die FMPP unterstützt die Waffeninitiative auch, weil ein Drittel aller männlichen Suizide mit Schusswaffen begangen wird. Hans-Urs von Matt, Vizepräsident von männer.ch – Verband Schweizer Männer und Väter, brachte «die männliche Sicht in der Gleichstellungspolitik» ein. «Männer müssen auch vor ihren eigenen, unüberlegten Taten geschützt werden: nämlich vor der Gewalt im familiären Umfeld.» Die Waffe als Schweizer Wert zu betrachten, finde er abstrus.
Stimmen von Frauen waren ebenfalls vertreten und zwar namentlich von Verena Müller, Präsidentin Katholischer Frauenbund Solothurn, und Heidi Zingg Knöpfli (Kriegstetten), Projektleiterin und ehemalige Co-Präsidentin Evangelische Frauen Schweiz (EFS). «Die Verantwortung wurde mir bewusst, als mein Sohnnach der Rekrutenschule mit einer Waffe heimkam und wir nicht wussten, wohin damit.» SP-Kantonsrat Philipp Hadorn nahm mit dem Hut des Gewerkschafters Stellung für die Initiative. «Wenn schon jedes ‹Töffli› registriert werden muss, soll das auch bei Waffen so sein», sagte er. Und EVP-Kantonsrat René Steiner betonte: «Es gab selten eine Vorlage, bei der ich selber so voll und ganz dahinter stehen konnte. Natürlich bietet die Initiative keine Garantien, aber sie schränkt Risiken ein», so Steiner.

«Gelegenheit macht Täter»
Als Gast sprach auch Paul Erni, Gefangenenseelsorger aus Niederönz: «Wenn nur ein einziges Menschenleben durch diese Initiative gerettet werden kann, ist sie es allemal wert», sagte er. Er habe bei seiner Arbeit immer mit Tätern zu tun. «Die meisten Männer verstehen im Nachhinein nicht, weshalb sie abgedrückt haben», schilderte er. Auch eine lebenslange Haftstrafe mache niemanden mehr lebendig.

Schützenfeste gibts weiterhin
«Bei einem Ja zur Initiative soll es weiterhin Schützenfeste geben und auch die Jagd soll weiterhin funktionieren», so Bea Heim. Schützen, Jäger, Waffensammler könnten also problemlos Ja zur Initiative sagen. Die Initiative verlangt ein eidgenössisches Waffenregister. Ein zentrales System wäre gemäss den Befürwortern eine Hilfe für die Polizei bei der Verbrechensbekämpfung. Brigit Wyss, Nationalrätin der Grünen, kam zum Schluss: «Der finanzielle und organisatorische Mehraufwand, der durch die Initiative entstehen würde, steht in keinem Verhältnis zum Leid und zu der Angst, die durch Waffengewalt ausgelöst wird.»

Quelle: Solothurner Zeitung vom 20. Januar 2011, Seite 19, Foto: Bruno Kissling, Text: Nora Bader

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert