Lebensqualität trotz Krankheit

  • 22. Januar 2010
  • Medien
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Palliative Care Menschen mit unheilbaren Leiden behutsam bis ans Lebensende begleiten
«Palliative Care – Sicherheit für alle bis ans Lebensende!» Zu diesem Thema lud das Netzwerk Palliative Care Kanton Solothurn ins Alte Spital in Solothurn ein.
Agnes Portmann-Leupi

«Ein Mass Wein, welches die Patienten früher in diesem Saal erhielten, galt damals als die einzige Medizin», sagte Thomas Egger, Präsident der Krebsliga Solothurn, bei der Begrüssung der rund 200 Interessierten am Donnerstagabend im Alten Spital. In der Zwischenzeit sei es duch den Fortschritt der Wissenschaft möglich, gerade auch Menschen, die an einer unheilbaren Krankheit leiden, behutsam bis an ihr Lebensende zu begleiten. Einen wesentlichen Anteil daran hat die Palliative Care. Vor rund einem Jahr wurde im Kanton Solothurn ein entsprechender Verein gegründet (siehe Kasten).

Der Privatdozent und St. Galler Onkologe Florian Strasser erläuterte in einem Referat, was Sicherheit im Bereich der Palliative Care beinhaltet. Einerseits bedeute es Sicherheit für den Patienten, angehört und respektiert zu werden, andererseits Sicherheit für professionelle Mitarbeiter dank hilfreichen Regeln, Supervisionen, interdisziplinärem Austausch sowie Weiterbildung. Palliative Care strebe eine vorausschauende sowie eine direkte Verhinderung von Leiden an. Das frühe Erkennen von Problemen könne eine bewusste Lebensgestaltung bis zuletzt unterstützen. Florian Strasser betonte auch die Wichtigkeit einer Patientenverfügung.

Selbstbestimmt leben
Am anschliessenden runden Tisch erklärten sechs Personen, was für sie Palliative Care bedeutet. «Jeder Mensch sollte bis an sein Lebensende selbstbestimmend leben können, unabhängig vom wirtschaftlichen Standpunkt», sagte Patricia Häberli (Spitexleiterin Zuchwil). Der Blickwinkel gehöre der Würde des Menschen.

Andreas Weber (Arzt und Co-Präsident Palliative Care Netzwerk Kanton Zürich) ergänzte, dass für ihn der ambulante Bereich mit spezialisierten Teams fehle. «Ein wichtiger Punkt ist die Sensibilisierung der Bevölkerung», erklärte Stefan Kaufmann (Direktor Santésuisse). Alles habe sehr viel mit Aufklärung und transparenten Strukturen zu tun.

Bea Heim (SP-Nationalrätin und Präsidentin Pro Senectute) betonte: «Palliative Care gehört zur Grundversorgung». Alle Menschen hätten Anrecht auf ein umsorgtes Sterben. Für Verena Diener (Ständerätin und Verwaltungsratspräsidentin Solothurner Spitäler AG, soH) gibt es zwei Aspekte. «Der Eintritt ins Leben mit Schwangerschaft und Geburt erhält sehr viel Zuwendung, gleich behutsam sollte auch der Austritt sein.» Die medizinische Machbarkeit verlange eine neue Form von Verantwortung. Lange bedeutete das Sterben eine Niederlage. Christoph Cina (Hausarzt und Präsident des Netzwerkes Palliative Care Kanton Solothurn) bekräftigte: «Nur zehn Prozent der Leute sterben plötzlich und unerwartetet. Palliative Care hat deshalb für jeden Hausarzt im Alltag eine Riesenbedeutung.» Sie helfe dabei, dass sich ein schwerkranker Mensch auf würdige Art und Weise verabschieden kann.

Hausarzt als Anlaufstelle
«Was muss ich machen, falls ich unheilbar krank werde?», wollte der 56-jährige DRS-Moderator Jakob Fuchs wissen. Eindeutig ging am runden Tisch hervor, dass ein guter Hausarzt als erste Anlaufstelle gilt. Wichtig seien aber auch die Spitex, Seelsorger, die Krebsliga sowie die Familie. Christoph Cina hob die Tragweite des Zusammenspiels von Spitex und Hausarzt hervor. Er machte klar, dass Palliative Care bei einer nicht gut funktionierenden Grundversorgung zum Scheitern verurteilt sei. Dabei erwähnte er die Santésuisse-Streichungen für Labor und die Besuchspauschale der Hausärzte.

Gerade das grosse Problem der Finanzierung bildete Gesprächsstoff. Die Runde war sich einig, dass es neue Systeme mit adäquaten Entschädigungen in der Grundversicherung braucht. Es gelte, die Politiker zu sensibilisieren. Stefan Kaufmann zeigte sich überzeugt, dass die Kosten aus einer Hand zu finanzieren sind, und zwar über Steuern und Kopfpauschalsystem.

Neues Konzept der Spitäler
Laut Verena Diener hat der Verwaltungsrat der soH bereits im Juni 2009 ein Konzept für Palliative Care genehmigt, welches jetzt in der Umsetzungsphase steht. Insgesamt würden in Olten und Solothurn dafür bis zwölf Betten zur Verfügung stehen. Das Augenmerk gelte der Schulung von Teams. Eine verbesserte Zusammenarbeit mit den Hausärzten und der Spitex sei unabdingbar. «Die Finanzierungsunterschiede zwischen stationär und ambulant sind eine komplexe Angelegenheit», sagte sie. Während im Spital die Finanzierung gesichert sei, gelte in der Langzeit- und ambulanten Pflege gerade das Gegenteil. Eine behutsame Angleichung sei nötig.

Palliative Care
Palliative Care wird von der WHO definiert als «Lindern eines weit fortgeschrittenen, unheilbaren Leidens mit begrenzter Lebenserwartung durch ein multiprofessionelles Team, mit dem Ziel einer hohen Lebensqualität für den Patienten und seine Angehörigen und möglichst am Ort der Wahl des Patienten». Ende Januar 2009 wurde der Verein «Palliative Care Netzwerk Kanton Solothurn» gegründet. Mitglieder sind die Krebsliga Solothurn, die Hausärzte Solothurn, der kantonale Spitexverband, die Solothurner Spitäler AG, die Alters- und Pflegeheime, die Pro Senectute Kanton Solothurn sowie Frau Sr. Verena Walter. Der Verein setzt sich für eine umfassende ärztliche, pflegerische, soziale, psychologische und spirituelle Begleitung der Kranken und ihrer Angehörigen ein. Ziel dabei ist es, den Patienten den Zugang zur palliativen Pflege und Betreuung zu ermöglichen und zu erleichtern sowie die Vernetzung der Dienstleistungen zu fördern. (APB)

Quelle: Solothurner Zeitung / MLZ; 2010-01-16

Solothurner Zeitung / MLZ; 2010-01-16

Lebensqualität trotz Krankheit
Palliative Care Menschen mit unheilbaren Leiden behutsam bis ans Lebensende begleiten

«Palliative Care – Sicherheit für alle bis ans Lebensende!» Zu diesem Thema lud das Netzwerk Palliative Care Kanton Solothurn ins Alte Spital in Solothurn ein.

Agnes Portmann-Leupi

«Ein Mass Wein, welches die Patienten früher in diesem Saal erhielten, galt damals als die einzige Medizin», sagte Thomas Egger, Präsident der Krebsliga Solothurn, bei der Begrüssung der rund 200 Interessierten am Donnerstagabend im Alten Spital. In der Zwischenzeit sei es duch den Fortschritt der Wissenschaft möglich, gerade auch Menschen, die an einer unheilbaren Krankheit leiden, behutsam bis an ihr Lebensende zu begleiten. Einen wesentlichen Anteil daran hat die Palliative Care. Vor rund einem Jahr wurde im Kanton Solothurn ein entsprechender Verein gegründet (siehe Kasten).

Der Privatdozent und St. Galler Onkologe Florian Strasser erläuterte in einem Referat, was Sicherheit im Bereich der Palliative Care beinhaltet. Einerseits bedeute es Sicherheit für den Patienten, angehört und respektiert zu werden, andererseits Sicherheit für professionelle Mitarbeiter dank hilfreichen Regeln, Supervisionen, interdisziplinärem Austausch sowie Weiterbildung. Palliative Care strebe eine vorausschauende sowie eine direkte Verhinderung von Leiden an. Das frühe Erkennen von Problemen könne eine bewusste Lebensgestaltung bis zuletzt unterstützen. Florian Strasser betonte auch die Wichtigkeit einer Patientenverfügung.

Selbstbestimmt leben

Am anschliessenden runden Tisch erklärten sechs Personen, was für sie Palliative Care bedeutet. «Jeder Mensch sollte bis an sein Lebensende selbstbestimmend leben können, unabhängig vom wirtschaftlichen Standpunkt», sagte Patricia Häberli (Spitexleiterin Zuchwil). Der Blickwinkel gehöre der Würde des Menschen.

Andreas Weber (Arzt und Co-Präsident Palliative Care Netzwerk Kanton Zürich) ergänzte, dass für ihn der ambulante Bereich mit spezialisierten Teams fehle. «Ein wichtiger Punkt ist die Sensibilisierung der Bevölkerung», erklärte Stefan Kaufmann (Direktor Santésuisse). Alles habe sehr viel mit Aufklärung und transparenten Strukturen zu tun.

Bea Heim (SP-Nationalrätin und Präsidentin Pro Senectute) betonte: «Palliative Care gehört zur Grundversorgung». Alle Menschen hätten Anrecht auf ein umsorgtes Sterben. Für Verena Diener (Ständerätin und Verwaltungsratspräsidentin Solothurner Spitäler AG, soH) gibt es zwei Aspekte. «Der Eintritt ins Leben mit Schwangerschaft und Geburt erhält sehr viel Zuwendung, gleich behutsam sollte auch der Austritt sein.» Die medizinische Machbarkeit verlange eine neue Form von Verantwortung. Lange bedeutete das Sterben eine Niederlage. Christoph Cina (Hausarzt und Präsident des Netzwerkes Palliative Care Kanton Solothurn) bekräftigte: «Nur zehn Prozent der Leute sterben plötzlich und unerwartetet. Palliative Care hat deshalb für jeden Hausarzt im Alltag eine Riesenbedeutung.» Sie helfe dabei, dass sich ein schwerkranker Mensch auf würdige Art und Weise verabschieden kann.

Hausarzt als Anlaufstelle

«Was muss ich machen, falls ich unheilbar krank werde?», wollte der 56-jährige DRS-Moderator Jakob Fuchs wissen. Eindeutig ging am runden Tisch hervor, dass ein guter Hausarzt als erste Anlaufstelle gilt. Wichtig seien aber auch die Spitex, Seelsorger, die Krebsliga sowie die Familie. Christoph Cina hob die Tragweite des Zusammenspiels von Spitex und Hausarzt hervor. Er machte klar, dass Palliative Care bei einer nicht gut funktionierenden Grundversorgung zum Scheitern verurteilt sei. Dabei erwähnte er die Santésuisse-Streichungen für Labor und die Besuchspauschale der Hausärzte.

Gerade das grosse Problem der Finanzierung bildete Gesprächsstoff. Die Runde war sich einig, dass es neue Systeme mit adäquaten Entschädigungen in der Grundversicherung braucht. Es gelte, die Politiker zu sensibilisieren. Stefan Kaufmann zeigte sich überzeugt, dass die Kosten aus einer Hand zu finanzieren sind, und zwar über Steuern und Kopfpauschalsystem.

Neues Konzept der Spitäler

Laut Verena Diener hat der Verwaltungsrat der soH bereits im Juni 2009 ein Konzept für Palliative Care genehmigt, welches jetzt in der Umsetzungsphase steht. Insgesamt würden in Olten und Solothurn dafür bis zwölf Betten zur Verfügung stehen. Das Augenmerk gelte der Schulung von Teams. Eine verbesserte Zusammenarbeit mit den Hausärzten und der Spitex sei unabdingbar. «Die Finanzierungsunterschiede zwischen stationär und ambulant sind eine komplexe Angelegenheit», sagte sie. Während im Spital die Finanzierung gesichert sei, gelte in der Langzeit- und ambulanten Pflege gerade das Gegenteil. Eine behutsame Angleichung sei nötig.

Palliative Care

Palliative Care wird von der WHO definiert als «Lindern eines weit fortgeschrittenen, unheilbaren Leidens mit begrenzter Lebenserwartung durch ein multiprofessionelles Team, mit dem Ziel einer hohen Lebensqualität für den Patienten und seine Angehörigen und möglichst am Ort der Wahl des Patienten». Ende Januar 2009 wurde der Verein «Palliative Care Netzwerk Kanton Solothurn» gegründet. Mitglieder sind die Krebsliga Solothurn, die Hausärzte Solothurn, der kantonale Spitexverband, die Solothurner Spitäler AG, die Alters- und Pflegeheime, die Pro Senectute Kanton Solothurn sowie Frau Sr. Verena Walter. Der Verein setzt sich für eine umfassende ärztliche, pflegerische, soziale, psychologische und spirituelle Begleitung der Kranken und ihrer Angehörigen ein. Ziel dabei ist es, den Patienten den Zugang zur palliativen Pflege und Betreuung zu ermöglichen und zu erleichtern sowie die Vernetzung der Dienstleistungen zu fördern. (APB)

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