Eingereichter Text
In der Antwort auf mein Postulat 08.3163 vom 20. März 2008 hält der Bundesrat fest, ein Antibiotikaresistenz-Monitoring sei aufgrund der Erkenntnisse von NFP 49 ab 2006 sowohl im Human- als auch im Veterinärbereich realisiert worden, und die Koordination zwischen den beiden Bereichen stelle das Nationale Referenzzentrum an der Uni Bern sicher. 2006 waren ca. 4000 Patienten Träger multiresistenter Erreger. Krankheitsmehrkosten: 30 Millionen Franken. 80 Patienten starben. Experten befürchten eine Verzehnfachung an Fällen und Kosten. Angesichts der Tragweite des Problems der Antibiotikaresistenzen und der immer klarer zutage tretenden Zusammenhänge zwischen der Gesundheit der Menschen und der Gesundheit der Tiere ersuche ich den Bundesrat um eine Antwort auf die folgenden Fragen:
- Zu welchen Erkenntnissen führte das Antibiotikaresistenz-Monitoring in den vergangenen Jahren im Humanbereich?
- Welche konkreten Massnahmen wurden aus diesen Erkenntnissen abgeleitet?
- Zu welchen Erkenntnissen führte das Antibiotikaresistenz-Monitoring in den vergangenen Jahren im Veterinärbereich?
- Welche konkreten Massnahmen wurden aus diesen Erkenntnissen abgeleitet?
- Mit welchen Mitteln (finanziell und organisatorisch) stellt das Nationale Referenzzentrum an der Universität Bern beim Antibiotikaresistenz-Monitoring die Koordination zwischen Human- und Veterinärbereich sicher?
- Welche Erkenntnisse konnten aufgrund dieser Koordination gewonnen werden?
- Welche konkreten Massnahmen wurden aus diesen Erkenntnissen abgeleitet?
- Welche Rechtsgrundlagen im Rahmen der Revision des Epidemiegesetzes führen zur Verbesserung der bestehenden Situation?
- Stimmt es, dass in der Periode 2005 bis 2008 der Vertrieb von Antibiotika in der Veterinärmedizin eine Zunahme zu verzeichnen hat und in welchem Ausmass?
- Stehen, wie in anderen europäischen Ländern, analoge Zahlen aus der Humanmedizin, vor allem auch der ambulanten Medizin zur Verfügung?
- Bestehen, wie in anderen Ländern, verbindliche Richtlinien, die den Einsatz von Antibiotika der human- und tiermedizinischen Praxis regeln (Prudent Use Guideline)?
- Wie ist die Schweiz in die entsprechenden europäischen Überwachungs- und Monitoringsysteme eingebunden?
- Die „European Surveillance of Antimicrobial Consumption“ publiziert Zahlen zum Antibiotikaverbrauch in der Humanmedizin aus verschiedenen europäischen Ländern. Leider fehlen Zahlen aus der Schweiz. Warum?
Antwort des Bundesrates vom 24.02.2010
Der Bundesrat teilt die Meinung der Interpellantin, dass Antibiotikaresistenzen die öffentliche Gesundheit gefährden und dass das Problem weiterhin überwacht und erforscht werden muss. Das Monitoring, wie in der Stellungnahme zum Postulat 08.3163 festgehalten, beginnt zu greifen. Die Bestandesaufnahme ist jedoch nur vorläufig und hinsichtlich Tier- und Humanbereich unterschiedlich weit vorgeschritten. Für definitive Antworten ist es noch zu früh, weil die Studien und das Monitoring noch nicht über einen ausreichenden Beobachtungszeitraum verfügen. Zu prüfen bleibt, wie eine allfällig notwendige Koordination zwischen dem Veterinär- und dem Humanbereich auf eine ausreichende, gesetzliche Grundlage gestellt werden kann.
Fragen 1-7 und 12: SEARCH (Sentinel Surveillance of Antibiotic Resistance in Switzerland) informiert laufend über die Erkenntnisse des Antibiotikaresistenz-Monitorings im Humanbereich (siehe: www.search.ifik.unibe.ch). Die Situation bezüglich Antibiotikaresistenz von Bakterien bei Tieren hat sich in den letzten Jahren nicht wesentlich geändert. Im internationalen Vergleich ist die Resistenzlage in der Schweiz relativ günstig. Das Monitoring wird weiter geführt und laufend an neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst.
Die Koordination zwischen Human- und Tierbereich wird organisatorisch durch persönliche Kontakte der Projektleitenden und Verantwortlichen sichergestellt. Bisher gibt es in der Schweiz keine Anzeichen für einen Einfluss des Veterinärbereichs auf die Problematik im Humanbereich. Der Forschungsbedarf ist jedoch nach wie vor vorhanden. Im Rahmen der Ressortforschung des Bundesamtes für Veterinärwesen werden verschiedene Forschungsprojekte zum Antibiotikaeinsatz bei Tieren und zur Antibiotikaresistenz gefördert. Die Ressortforschung zum Zusammenhang zwischen Antibiotikaeinsatz und Antibiotikaresistenz bei Tieren wird in einem Europäischen Forschungsprogramm (EMIDA ERA-Net) international vernetzt.
SEARCH ist in das europäische Programm eingebunden. Das Monitoring des Verbrauchs ist noch im Aufbau. Die vollständige Einbindung der Schweiz hängt vom Abschluss der Verhandlungen über das bilaterale Gesundheitsabkommen ab. Die Schweizer Zahlen zur Antibiotikaresistenz bei Tieren werden im Europäischen Zoonosebericht veröffentlicht. Beim Antibiotikaverbrauchsmonitoring bei Tieren ist die Schweiz an der Planung der internationalen Überwachung beteiligt.
Frage 8: Der Vernehmlassungsentwurf zur Revision des Epidemiengesetzes enthält in den Artikeln 42 und 43 spezifische Massnahmen zur Bekämpfung und Überwachung therapieassoziierter Infektionen und medikamentenresistenter Krankheitserreger. Momentan wird der Entwurf nach den Erkenntnissen aus der Vernehmlassung überarbeitet. Der Bundesrat wird dem Parlament die Botschaft zum revidierten Epidemiengesetz nach der vorliegenden Planung noch in diesem Jahr vorlegen.
Frage 9: In der Periode 2005 – 2008 hat der Vertrieb um 6,8 Prozent zugenommen. Ein grösserer Teil dieser Zunahme betrifft ältere Antibiotika, die vermutlich besser und genauer dosiert werden, was zu einer Zunahme des Vertriebs, aber zu einer Reduktion der Resistenzgefahr führt, indem eine genügend grosse Dosis lange genug angewendet wird. Bei den modernen Wirkstoffen ist eine Zunahme zu beobachten, für welche keine gleichwertige fachliche Begründung vorliegt.
Frage 10: Zahlen werden erhoben und der Vergleich mit umliegenden Ländern zeigt, dass der Pro-Kopf-Verbrauch von Antibiotika in der Schweiz am niedrigsten ist (siehe Nationalforschungsprogramm 49 „Antibiotikaresistenz“, Studie Filippini).
Frage 11: Prudent use guidelines als verbindliche Richtlinien bestehen in der Schweiz weder für den Bereich der Human- noch für die Veterinärmedizin. Weil ein gesetzlicher Koordinationsauftrag fehlt, kann dies keine Bundesstelle übernehmen, sondern bleibt den entsprechenden Berufsverbänden (z.B. der Gesellschaft Schweizerischer Tierärztinnen und Tierärzte) überlassen. Auch der Zusammenhang zwischen der wirkstoffbezogenen Verbrauchsentwicklung und dem Resistenzmonitoring kann nicht vertieft erforscht werden. Im Bereich der Heimtiermedizin kommt hinzu, dass diese veterinärmedizinische Tätigkeit weniger stark reguliert ist als im Bereich der Nutztiermedizin, wodurch die Unsicherheiten verstärkt werden.
19.03.2010 NR Die Diskussion wird verschoben.