Der Umgang mit Reanimationsgeräten soll Teil des Nothilfekurses werden.
SP-Nationalrätin Bea Heim erlebte vor drei Jahren einen Herznotfall. Den sie dank dem raschen Handeln von Ratskollegen und einem Defibrillator unbeschadet überlebte. Nun setzt sich die Starrkircherin dafür ein, dass die Schweizer Bevölkerung den Umgang mit diesen Lebensrettenden Geräten lernt. Sie steht kurz vor einem grossen Erfolg. Das OT hat mit Heim gesprochen.
von cornelia nussbaum
Es ist vorgesehen, dass zukünftig – ab Frühling 2010 – die Schulung am Reanimationsgerät Teil des Nothilfekurses ist und somit einen grossen Teil der Schweizer Bevölkerung erreicht. Eine dementsprechende Verordnungsänderung wird in die Vernehmlassung geschickt, mit Gegenwehr ist nicht zu rechnen.
Wie geht es Ihnen heute gesundheitlich?
Bea Heim: Ich fühle mich putzmunter und voller Energie. Ich denke aber auch immer wieder mit Dankbarkeit an meine Lebensretter und Ratskollegen, die Ärzte Franco Cavalli, Felix Gutzwiller und Paul Günter. Hätten sie nicht sofort gehandelt, wäre ich heute nicht mehr da. Denn in einem solchen Moment zählt jede Minute. Zum Glück hat Paul Günter ein paar Jahre zuvor die Anschaffung eines Defibrillators im Bundeshaus durchgesetzt. Die sofortige Herz-Lungen-Massage und der Stromschlag des Gerätes holten mich in Kürze zurück ins aktive Leben.
Sie selbst waren vor drei Jahren von einem Herznotfall betroffen. Wie hat Sie dieses Ereignis persönlich und politisch nachhaltig verändert?
Heim: Tatsächlich achte ich heute mehr auf die Gesundheit, mit der Ernährung und vor allem mit regelmässiger Bewegung. Ich habe ein Grenzerfahrung gemacht, die mir als Gesundheitspolitikerin die Augen für weitere Schwachstellen in unserer Gesundheitsversorgung geöffnet hat. Ich bin überzeugt, wir müssen politisch die Nothilfe fördern. Denn ein Herzstillstand kann jeden jederzeit treffen, ob jung oder alt. Was mir widerfahren ist, erleben jährlich 8000 Menschen in der Schweiz. Nicht nur Politiker im Bundeshaus sollen die Chance (und das Privileg) haben, solche Todesgefahren zu überleben.
Mein Erlebnis, das ich nun mit Bundesrat Hans-Rudolf Merz teile, soll dazu führen, dass möglichst viele Menschen mit einem Herz-Kreislauf-Stillstand die Chance haben, gerettet zu werden. Es braucht dazu nicht viel. Es ist das praktische Wissen, dass man wirklich helfen kann und was zu tun ist. Sowie das Vorhandensein von Automatischen Externen Defibrillatoren. Solche AED-Geräte sind auch von Laien einsetzbar. Das Gerät gibt die nötigen Handlungsanweisungen. Sie sind einfach zu befolgen. Fehlmanipulationen sind eigentlich ausgeschlossen.
Deshalb habe ich gleich nach dem Zwischenfall in der Herbstsession, unterstützt von weit mehr als der Hälfte des Nationalrates, eine Eingabe für eine flächendeckende Versorgung der Schweiz mit diesen Geräten gemacht. Der Bundesrat war jedoch leider nicht dazu zu bewegen. Ich bin hartnäckig und versuche nun andersherum ans Ziel zu kommen. So gewährt der Bund auf meine Intervention nur noch jenen Sportanlagen und -Festen Subventionen, die ein Care-Konzept mit Defibrillatoren und geschulten Leuten nachweisen. Und auch im Militär wird die Schulung an Defis verstärkt.
Ferner wird meine Idee umgesetzt, dass alle beim Erwerb des Fahrausweises einen Nothelferkurs zusammen mit einer Schulung mit Defibrillatoren absolvieren. Damit verbreitet sich das Wissen um die Lebensrettung im Herznotfall schnell und querbeet in allen Bevölkerungsschichten. Es führt auch dazu, dass immer mehr Gemeinden und Städte solche Geräte an zentralen Orten installieren. Vorbildlich sind dabei Olten oder Grenchen mit dem Pionierkonzept von Hugo Saner und Cyrill Morger für die Notfalleinsätze der Feuerwehr. Auch der Schweizer Badmeisterverband fordert Defis in Badeanstalten. Leider scheitert ihr Anliegen noch allzu oft am Sparwillen der öffentlichen Hand. Dabei kostet ein solches Gerät zwischen 2000 und 3000 Franken. Ist das gerettete Leben auch nur eines Menschen diesen Preis nicht wert? Ich gebe zu bedenken, was es kostet, wenn jemand jahrelang mit einem Hirnschaden dahinvegetiert …
Sie haben sich politisch für die Ausbildung in der Benützung von Defibrillatoren eingesetzt. Ihr Engagement hat sich anscheinend gelohnt, die Schulung an den Geräten soll in den Nothilfekurs integriert werden. Sind Sie zufrieden?
Heim: Vor allem bin ich froh, dass meine politische Intervention derart rasch umgesetzt wird. Das ist ziemlich ungewöhnlich, eine bemerkenswerte Leistung der Bundesverwaltung zusammen mit dem Fahrlehrerverband und anderen Organisationen, auch mit dem Samariterbund. Verglichen aber mit Dänemark, wo rund 80 Prozent der Bevölkerung in der Lebensrettung geschult ist, auch die Schuljugend, hat die Schweiz noch einiges nachzuholen. Erste Schulprojekte laufen, und ich hoffe, dass die Herzstiftung bald auch in Berufsschulen wirken kann.
Doch auch das reicht noch nicht. Letzte Woche konnte einem Mann das Leben nur deshalb gerettet werden, weil in der nahen Apotheke ein Defi zur Verfügung stand. Ich meine, zumindest in jeder Praxis, Apotheke, Drogerie, auf Polizeiposten und in Patrouillenfahrzeugen müsste ein Defibrillator vorhanden sein. Sinnvoll sind diese Geräte auch auf Flughäfen, auf Bahnhöfen usw. Einfach überall, wo viele Leute zusammenkommen. Man soll nicht übertreiben, aber das tun, was vernünftig ist. Eine der zentralsten Aufgaben des Staates ist es, für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen. Dazu gehört auch ein Defi-Konzept. Dass alle wissen, wo das lebensrettende Gerät, wo ein Defibrillator geholt werden kann, das wäre ein bescheidener, aber entscheidender Beitrag dazu.
Wie könnte es nun Ihrer Meinung nach weitergehen?
Heim: Ich werde mich weiterhin und bei jeder Gelegenheit, z.B. im Rahmen des Präventionsgesetzes für die Verbreitung lebensrettender Geräte wie auch für die Schulung der breiten Bevölkerung in der Lebensrettung einsetzen. Auch bei beschränkten finanziellen Mitteln sind wir verpflichtet, die Überlebenschancen von Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand ausserhalb des Spitals zu verbessern. Zahlreiche Studien aus Europa haben gezeigt, dass strategisch verteilte Defibrillatoren die Überlebenschance der Patienten bis auf 74 Prozent erhöhen können. Wichtig ist dabei auch eine regionale Erfassung, der vorhandenen Geräte, damit diese durch die Notrufzentrale Nummer 144 im Notfall bekannt gegeben werden können.
Haben Sie selbst einen Kurs zur Handhabung eines Automatischen Externen Defibrillators (AED) erfolgreich besucht?
Heim: Ich hatte nicht nur mehrfach Gelegenheit geschult zu werden, sondern habe selber einen Kurzkurs im Bundeshaus für interessierte Parlamentsmitglieder organisiert. Die Stände- und Nationalräte haben kräftig an den Puppen geübt, beatmet und massiert. Es kam ein mancher ins Schwitzen. Aber nicht nur wegen der Blitzlichter der Kameras von Fernsehen und Journalisten. Auch dieses Jahr ist wieder ein solcher Kurs vorgesehen.
© Sonntag / MLZ; 23.08.2009; Seite 19