Eindämmung der häuslichen Gewalt
(Motion, eingereicht von Bea Heim am 5.3.2009)
Eingereichter Text
Der Bundesrat wird beauftragt, einen Bericht zur Einstellungspraxis betreffend Tatbestand „Häusliche Gewalt“ in den Kantonen zu erstellen und – gestützt darauf – die nötigen Massnahmen zur Eindämmung solcher Gewaltvorkommen und zur Stärkung der Opfer zu unterbreiten. Insbesondere sind dabei Massnahmen zu evaluieren, die darauf abzielen, dass:
1. die provisorische Einstellung des Verfahrens auf Antrag an die Bedingung des Besuchs eines Lernprogramms gegen Gewalt geknüpft wird, respektive die definitive Verfahrenseinstellung an die Bedingung der erfolgreichen Absolvierung des Lernprogramms einerseits und an das Nichtwiederauftreten dieser Gewalttaten durch die Tatperson andererseits.
2. das Verfahren von Amtes wegen wieder aufgenommen wird, wenn sich die Tatperson dem Programm entzieht und/oder innerhalb von sechs Monaten seit der provisorischen Einstellung gegen die Tatperson erneut wegen Gewalt gegen das Opfer geahndet und ein Verfahren eingeleitet wird.
3. die Einstellung des Verfahrens bei wiederholter Gewalt der Tatperson gegen das Opfer nicht mehr möglich ist, respektive von Amtes wegen wieder aufgenommen wird.
Begründung
Das Parlament beschloss 2003, Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in Ehe und Partnerschaft sei von Amtes wegen zu verfolgen und zu ahnden. Statistisch betrachtet, erfährt jede fünfte Frau in der Schweiz mindestens einmal in ihrem Leben körperliche oder sexuelle Gewalt durch den Partner. Auf Antrag der Betroffenen kann die kantonale Behörde ein Strafverfahren wegen Körperverletzung, wiederholter Tätlichkeiten, Drohung und Nötigung zwischen Ehegatten und Lebenspartnern wieder eingestellt und die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist danach nur auf Antrag des Opfers möglich, was durch die Anwendung von Artikel 55a StGB sehr vereinfacht wird. Selbst auch dann, wenn der Täter wieder zuschlägt. Man spricht deshalb von einem „unehrlichen“ Gesetz.
Antwort des Bundesrates vom 13.05.2009
Die Motion verlangt zwei Sachen: zum einen die Erstellung eines Berichts zur Praxis von Artikel 55a des Strafgesetzbuches und zum andern gestützt darauf die Änderung dieser Bestimmung zwecks Eindämmung der häuslichen Gewalt und Stärkung der Opfer.
Was die Erstellung eines Berichts angeht, so hat der Bundesrat in seiner Antwort zur Motion 08.3495 (Motion Fiala vom 18. September 2008, „Stalking“) dargelegt, er beabsichtige, die praktische Umsetzung von Artikel 28b Absatz 1 des Zivilgesetzbuches genau zu beobachten und dessen Wirksamkeit zu evaluieren. Sowohl Artikel 28b Absatz 1 des Zivilgesetzbuches als auch Artikel 55a des Strafgesetzbuches enthalten Massnahmen im Falle häuslicher Gewalt. Deshalb erscheint es sinnvoll, gleichzeitig mit der Evaluation von Artikel 28b Absatz 1 des Zivilgesetzbuches auch die Anwendung von Artikel 55a des Strafgesetzbuches und dessen Auswirkungen auf die Prävention von Gewalt in Ehe und Partnerschaft zu untersuchen. Der Bundesrat beabsichtigt, dieses Vorgehen im Rahmen des Berichtes über Gewalt in Paarbeziehungen in Erfüllung des Postulates Stump Doris 05.3694 vorzuschlagen, das der Nationalrat am 16. Dezember 2005 teilweise angenommen hat.
Je nach Ergebnis dieser Auswertung werden gesetzgeberische Massnahmen, darunter auch die in der Motion erwähnten, zu prüfen sein.
Zu den vorgeschlagenen Änderungen von Artikel 55a des Strafgesetzbuches ist allerdings Folgendes in Erinnerung zu rufen:
Sowohl im Rahmen der Erarbeitung von Artikel 55a des Strafgesetzbuches durch die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates als auch bei den parlamentarischen Beratungen bildeten die in der Motion erwähnten Änderungen Gegenstand der Diskussion und von Anträgen. Alternativen zur heutigen Regelung wurden gründlich geprüft, jedoch deutlich verworfen. Eine Änderung der heutigen Regelung wird somit nur dann in Betracht kommen, wenn die Evaluation zur Einstellungspraxis eine solche klar aufdrängt.
Erklärung des Bundesrates vom 13.05.2009
Der Bundesrat beantragt die Annahme der Motion.
03.06.2009 NR Annahme.
10.12.2009 SR Die Motion wird mit folgender Änderung angenommen: „Der Bundesrat wird beauftragt, einen Bericht zur Einstellungspraxis betreffend Tatbestand „Häusliche Gewalt“ in den Kantonen zu erstellen. Gestützt auf diesen Bericht wird der Bundesrat beauftragt zu prüfen, ob er nötige Massnahmen zur Eindämmung solcher Gewaltvorkommen und zur Stärkung der Opfer unterbreiten soll. Insbesondere sind dabei Massnahmen zu evaluieren, die darauf abzielen, dass: 1. die provisorische Einstellung des Verfahrens auf Antrag an die Bedingung des Besuchs eines Lernprogramms gegen Gewalt geknüpft wird respektive die definitive Verfahrenseinstellung an die Bedingung der erfolgreichen Absolvierung des Lernprogramms einerseits und an das Nichtwiederauftreten dieser Gewalttaten durch die Tatperson andererseits; 2. das Verfahren von Amtes wegen wieder aufgenommen wird, wenn sich die Tatperson dem Programm entzieht und/oder innerhalb von sechs Monaten seit der provisorischen Einstellung gegen die Tatperson erneut wegen Gewalt gegen das Opfer angeklagt und ein Verfahren eingeleitet wird; 3. die Einstellung des Verfahrens bei wiederholter Gewalt der Tatperson gegen das Opfer nicht mehr möglich ist respektive das Verfahren von Amtes wegen wieder aufgenommen wird“.
03.03.2010 NR Zustimmung.