Eingereichter Text
Der Bundesrat wird gebeten, aufzuzeigen, wie und in welchem Zeitraum er im Rahmen seiner Kompetenzen, z. B. im Rahmen der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Medizinalberufe und von zukünftigen Berufstätigen in der Palliative Care, der Förderung der „integrierten Versorgung“, der Sicherstellung der Finanzierung über das KVG und der Forschung, die Palliativmedizin und die Palliative Care zu stärken gedenkt, was er unternimmt, um die Öffentlichkeit für dieses wichtige Thema zu sensibilisieren und zu informieren.
Begründung
Im Bericht „Strategie für eine schweizerische Alterspolitik“ erklärt der Bundesrat die „Stärkung der Palliativpflege als unumgänglich und dringlich“. Wir teilen diese Auffassung, auch dass hier der Bund den koordinativen Lead haben sollte. Denn die laufende Diskussion über die Sterbehilfe verlangt nach Alternativen, nach einer Richtung, die die Lebensqualität auch im Leiden in den Mittelpunkt rückt. Die palliative Versorgungslücke zeigt sich vor allem im Bereich der Onkologie und der Langzeitkrankheiten. – „Der Bund kann“, so liest man im besagten Altersbericht, „in Bereichen, die nicht seiner Zuständigkeit unterliegen, in welchen aber eidgenössische Politik umgesetzt wird, Impulse geben.“ Der Bund wird hiermit gebeten, aufzuzeigen, wie, in welchem Zeitraum, mit welcher Art von „Impulsen“ (Massnahmen) und mit welchen Mitteln er sein Ziel – „Die Kantone bauen ihre Angebote im Bereich Palliative Care aus“ (Altersbericht S. 50) – erreichen will, damit für Betroffene in allen Landesteilen eine gute, umfassende Betreuung bei schweren Erkrankungen und bis in die letzten Lebensmonate sichergestellt ist.
Antwort des Bundesrates vom 03.09.2008
Palliative Care umfasst alle medizinischen Behandlungen, pflegerische Interventionen sowie die psychische, soziale und spirituelle Unterstützung von Menschen mit unheilbaren, lebensbedrohlichen oder chronisch fortschreitenden Krankheiten. Das Ziel der Palliative Care ist es, der Patientin und dem Patienten sowie den Angehörigen eine bestmögliche Lebensqualität bis zum Tod zu ermöglichen.
Das Angebot an qualitativ guten Palliative-Care-Massnahmen ist nach wie vor kantonal und geografisch unterschiedlich. Auch der Informationsstand in der Bevölkerung über Palliative Care ist noch ungenügend. Aus diesen Gründen hält der Bundesrat den Handlungsbedarf für weitere Massnahmen zur Förderung der Palliative Care als gegeben. Die Förderung der Palliative Care bedingt auch die Zusammenarbeit von Kantonen und Bund. Daher wird die Palliative Care im Dialog Nationale Gesundheitspolitik Schweiz thematisiert.
In der Palliative Care verfügt der Bund im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Kompetenzen über Handlungsmöglichkeiten in den Bereichen Aus-, Weiter- und Fortbildung, in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) sowie in der Forschung. Die nachfolgenden Massnahmen des Bundes zur Förderung der Palliative Care in der Schweiz stützen sich einerseits auf den Ergänzungsbericht zum Bericht „Sterbehilfe und Palliativmedizin – Handlungsbedarf für den Bund“ des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements von 2007 und enthalten andererseits auch neuere und zukünftige Aktivitäten.
Aus-, Weiter- und Fortbildung: Palliative Care ist im Bundesgesetz vom 23. Juni 2006 über die universitären Medizinalberufe (Medizinalberufegesetz, MedBG; SR 811.11) verankert. Artikel 6 MedBG verlangt für die Ausbildung, dass Absolventinnen und Absolventen eines Studienganges über die wissenschaftlichen Grundlagen verfügen, die für vorbeugende, diagnostische, therapeutische, palliative und rehabilitative Massnahmen erforderlich sind. Als Konsequenz dieses Ausbildungsziels müssen konkrete Lernziele zur Palliativmedizin in die Curricula der medizinischen Fakultäten Eingang finden. Artikel 17 MedBG verlangt für die Weiterbildung, dass Absolventinnen und Absolventen über die Kompetenz verfügen, Patientinnen und Patienten bis zum Lebensende zu begleiten (Abs. 2 Bst. c). Bezüglich der Weiter- und Fortbildung von universitären Medizinalberufen wird der Bund Kontakt mit der FMH aufnehmen; sie ist die vom Bund mit der Weiterbildung betraute Organisation.
Betreffend die nichtuniversitären Medizinalberufe wurde die Regelungskompetenz der Ausbildung im Gesundheitswesen für die Berufsbildung am 1. Januar 2004 und für die Fachhochschulen am 5. Oktober 2005 in die Zuständigkeit des Bundes (Bundesamt für Berufsbildung und Technologie) überführt. Dies und die Gründung einer nationalen Dachorganisation der Arbeitswelt Gesundheit im Jahre 2005 ermöglichen eine einheitliche Steuerung sowie Entwicklung der Berufsbildung, einschliesslich Fachhochschulen, durch den Bund. Zudem erlaubt es einen starken Einbezug der Arbeitswelt und eine hohe Abstimmung in der Umsetzung durch die Kantone. Bund, Kantone und Arbeitswelt nehmen die Aufgabe als Verbundpartner wahr.
Höhere Fachschule: Im Rahmenlehrplan dipl. Pflegefachperson ist unter Ziffer 2.1 „Arbeitsfeld und Kontext“ als eine der Tätigkeiten der dipl. Pflegefachperson auch palliative Betreuung aufgeführt.
Fachhochschule: Die Arbeitsgruppe „Festlegung der Abschlusskompetenzen für die FH-Gesundheitsberufe“ erarbeitet zurzeit verbindliche gesamtschweizerische Abschlusskompetenzen für die FH-Gesundheitsberufe auf Bachelor- und Master-Stufe. Dabei wird die „palliative Betreuung“ (insbesondere bei der Pflege) adäquat verankert werden.
Die Fachhochschule St. Gallen führt einen Master of Advanced Studies in Palliative Care und die Fachhochschule Westschweiz ein Diploma of Advanced Studies en Oncologie et soins palliatifs durch.
Finanzierung: Der Begriff der Palliative Care existiert nicht explizit im Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (Krankenversicherungsgesetz, KVG; SR 832.10). Es bestehen daher auch keine spezifischen Leistungs- oder Finanzierungsregelungen. Im Rahmen der Palliative Care erbrachte Leistungen werden dann von der OKP vergütet, wenn es sich um KVG-Pflichtleistungen handelt. Zwei Bereiche sind für die Finanzierung palliativer Leistungen besonders relevant: die Behandlung im Spital sowie die Langzeitpflege (Krankenpflege ambulant oder im Pflegeheim). Die heutige Finanzierung palliativer Leistungen über die OKP präsentiert sich wie folgt:
Im Spital können medizinisch indizierte palliative Leistungen im Rahmen einer stationären Behandlung erbracht werden. Die Vergütung einer stationären Behandlung in der OKP erfolgt mittels einer Pauschale (Tages- oder Fallpauschale). Bei der Krankenpflege ambulant oder im Pflegeheimbereich sind die Pflegeleistungen im Leistungskatalog der Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV; SR 832.112.31), Artikel 7 Absatz 2, festgehalten. Darunter sind auch die palliativen Pflegeleistungen zu subsumieren. Die Leistungen werden von der OKP übernommen, sofern sie von KVG-anerkannten Leistungserbringern erbracht und auf Anordnung eines Arztes oder einer Ärztin vorgenommen werden. Nicht vergütet werden hingegen hauswirtschaftliche Leistungen und soziale bzw. psychosoziale Betreuungsleistungen, die nicht ärztlich verschrieben sind.
Der Bundesrat hat sich bereiterklärt, anlässlich der Umsetzung der Revision des Krankenversicherungsgesetzes im Bereich der Spitalfinanzierung der Qualität bzw. dem Umfang der Versorgung bei der Einführung der leistungsbezogenen Finanzierung Beachtung zu schenken. Bei der Umsetzung der Neuregelung der Pflegefinanzierung auf Verordnungsebene werden die heutigen Definitionen der Pflegeleistungen überprüft und wenn nötig präzisiert. Dabei werden die Bedürfnisse von Pflegebedürftigen in besonderen Situationen, wie beispielsweise die Bedürfnisse von Palliative-Care-Patientinnen und -Patienten, zu beachten sein.
Forschung: Die Forschung in Palliative Care ist im Aufbau und nutzt individuelle Förderungsmöglichkeiten, Projektunterstützung sowie internationale Vernetzung. Durch den Bund wurde die Forschung in diesem Bereich bislang nicht systematisch gefördert. Der Bund klärt ab, ob eine gezielte Unterstützung der Forschung in diesem Themenbereich angebracht ist.
Information: Der Bund beabsichtigt, im Rahmen seiner Ressourcen die Information über die Palliative Care und deren Angebote zu fördern. Die Zusammenarbeit mit den Kantonen ist auch in diesem Bereich zu klären.