Mehr Propagandamacht für finanzkräftige Kreise?

  • 01. April 2008
  • Kommentare
  • 0 Kommentare

Bea Heim zur „Maulorbinitiative“ am 1. April 2008

Soll der Bundesrat sich während Abstimmungskämpfen äussern oder nicht? Die Initianten, sie nennen sich Bürger für Bürger wollen dem BR vor Abstimmungen das Reden verbieten, ihm einen Maulkorb umhängen. Ausser den Erläuterungen im Abstimmungsbüchlein sei ihm gerade noch eine einmalige kurze Information an die Bevölkerung zugestanden. Wer hier mit dem propagandistischen Schlagwort Volkssouverenität dem BR jegliche öffentliche Auftritte, sachliche Information, Interviews und Richtigstellung von Falschinformationen verbieten will, machte sich gerne als die wahren Hüter der Demokratie dargestellt sehen.

Und genau so läuft bereits die Propagandamaschinerie der Befürworter. Jetzt muss endlich das Volk zu Wort kommen meinte ein älterer Mann und steckte mir am ersten wärmeren Ffürhlingstag dieses Jahres ein Flugblatt entgegen. Als ich ihm sagte, dass die Initiative in Tat und Wahrheit dem BR das Wort verbieten und ihn daran hindern wolle, im Abstimmungsgefecht verfälschte Aussagen, Unterstellungen oder offensichtlich falsche Zahlen usw. zu berichtigen und Transparenz zu schaffen, packte er konsterniert seine Flugblätter wieder ein. Nein, dass wisse er nicht, und wenn es um das gehe, das wolle er auf keinen Fall. Da sei ihm die Gefahr gezielter propagandistischer Desinformation zu gross.

Recht hat er. Genau da liegt die Hauptgefahr dieser Initiative, in der Verhinderung der freien Meinungsbildung. Sie ist ein eigentlicher Wolf im Schafpelz, weil sie erlauben würde, dass finanzkräftige Gruppierungen mit flächendeckenden und allenfalls irreführenden Kampagnen die öffentliche Meinung dominieren, ohne dass eine über dem Parteien Streit stehende Instanz korrigierend im Sinn der demokratisch legitimierten Parlamentsmehrheit eingreifen kann. Insbesondere wenn in Abstimmungskämpfen falsche Aussagen gemacht werden, muss es die Pflicht der Behörden sein, die Fakten in der Öffentlichkeit klar zustellen. Da kommt im Interesse der freien Meinungsbildung der Stimmbürger und Stimmbürgerinnen den Behörden die zentrale Aufgabe zu, zu informieren.

Dieses Engagement des Bundesrates im Vorfeld eidgenössischer Abstimmungen ist nicht nur zu akzeptieren, sondern es wird von den Bürgerinnen und Bürgern geradezu erwartet. Gerade wenn von finanzkräftiger Seite intensive Kampagnen auf sehr emotionaler Ebene geführt werden, können die Behörden nicht einfach die Hände in den Schoss legen und sich auf die Herausgabe eines Abstimmungsbüchleins beschränken. Würden wir wie mit dieser Initiative beabsichtigt, es zulassen, dass nur noch Finanzkräftige das Feld beherrschen, wäre dies das Ende der freien Meinungsbildung. Wir würden zu Totengräbern der Demokratie. Diese SVP-getragene Initiative bringt finanzstarken Kreisen mehr Propagandamacht, mehr Macht, die Demokratie im eigenen Interesse zu instrumentalisieren. Das ist zu tiefst undemokratisch, das ist gefährlich.

Natürlich soll sich der Bundesrat in Abstimmungskämpfen nicht wild propagandistisch betätigen. Hierfür gab es schon bisher interne Richtlinien des Bundesrates und der Verwaltung. Diese hat das Parlament nun noch verschärft und auf Gesetzesstufe gehoben. Dieser indirekte Gegenvorschlag reicht vollständig. Die Initiative schiesst weit über das Ziel hinaus und bringt für andere tatsächliche – demokratiepolitische Probleme keine Lösungen

In diesem Sinn sei auch die frage gestellt, weshalb die Initiative wenn sie ja angeblich die Demokratie fördern will – nicht auch private Kräfte, die über sehr viel Geld verfügen, unter eine bestimmte Kontrolle und Offenlegungspflicht nimmt? Auf jeden Fall verfügen diese Kräfte nicht über eine grössere demokratische Legitimation als der Bundesrat. Wir erinnern zum Beispiel an die Millionen schwere Kampagne der Krankenkassen via Santsuisse bei der Abstimmung gegen die Einheitskasse. Wenn es den Initianten wirklich um Demokratie und freie Meinungsbildung ginge, dann hätten sie auch eine Offenlegung und Begrenzung der in einem Abstimmungskampf eingesetzten Mittel vorsehen müssen.

Die Initiative bedeutet überdies auch eine Entmündigung der Bürgerinnen und Bürger, indem sie ihnen die nötigen zusätzlichen Informationen vorenthält. Bundesrat und Bundesverwaltung dürften selbst direkte Anfragen nicht mehr beantworten.

Die SP steht ein für den Schutz der freien Meinungsbildung, für eine lebendige, informierte und transparente Demokratie. Die SP ist die Partei, die sich seit jeher für die tatsächliche Stärkung der Volksrechte und für eine funktionierende Demokratie einsetzt. Sie lehnt deshalb die Maulkorb-Initiative entschieden ab.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert