Erstaugustrede 2007 in Olten von Bea Heim.

  • 01. August 2007
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Liebe Oltnerinnen und Oltner
Es ist mir eine Freude mit Ihnen den Ersten August zu feiern, hier vor dem ”Ratskeller” dessen Fassade mit einem historischen Bild und einem Spruch verziert ist, der diesem Platz heute, am schweizerischen Nationalfeiertag, einen besonderen Sinn verleiht und ihn nicht ganz, aber doch, zu einer Art Rütli, zu einem Oltner Rütli der modernen Schweiz macht.

Dieser Spruch lautet:

“Der Hochmuth seinen Meister fand ,

die Herrenburg vom Boden schwand.

Es schuf zu ewigem Bestand

das Volk sein freies Vaterland.“

Eine Art Rütli der modernen Schweiz
Sie haben das Bild neben dem Text sicher schon oft betrachtet, und wer in Olten die Schulbank gedrückt hat, kennt wohl auch die Geschichte vom letzten Frohburger:

Dieser wurde vor der Oltner Aarebrücke vom Blitz getroffen, als Strafe dafür, dass er die Bauern  geplagt hatte.

Das Bild spielt auf die Sage von der Gründung der Eidgenossenschaft an: Ähnlich wie Gessler in der hohlen Gasse sinkt auch der Graf Eberhard von Frohburg von seinem Ross. Der Pfeil aus Tells Armbrust ist hier freilich durch den Blitz ersetzt, aber die Frau mit dem Kind im Vordergrund, die kennen wir doch aus Schillers Drama.

Das Bild liess der Ratskeller-Wirt 1905 aus Anlass des Kantonal-Schützenfestes an die Fassade malen. Und der Spruch zeigt deutlich, was er damit ausdrücken wollte:

Mit dem ”freien Vaterland”, welches das Volk schuf, ist nämlich nicht der Rütlibund von 1291 gemeint, sondern der demokratische Bundesstaat von 1848, unsere heutige Schweiz.

Es ist kein Zufall, dieses Bild hier in Olten zu finden. Olten hat nämlich bei der Entstehung der modernen Schweiz eine wesentliche Rolle gespielt:

  • Olten war 1830 das Zentrum des Solothurner Volksaufstandes gegen die „gnädigen Herren“;

  • es war ein Oltner, der die Bundesverfassung von 1848 mitgeprägt hat;

  • Im Eisenbahnzeitalter wurde Olten als Drehscheibe des Schienenverkehrs fast so etwas wie der Nabel der Schweiz.

Oltner Persönlichkeiten wie Josef Munzinger, Niklaus Riggenbach oder Casimir von Arx machten den Namen unserer Stadt im ganzen Land und weit darüber hinaus bekannt.

Zuzüger aus allen Landesgegenden und auch aus dem umliegenden Ausland strömten in die Region. Olten hat diese Zuwanderung gut verkraftet, kein Wort von ”Überfremdung”, obschon die Alteingsessenen mit der Zeit zu einem kleinen Häufchen zusammen schmolzen. Offenheit ist ein Markenzeichen dieser Stadt.

Liebenswerte, charmante Stadt – verbunden mit Europa und der ganzen Welt
Heute ist unsere kleine Stadt am Fusse des grünen Jura mehr denn je mit ganz Europa verbunden: Ohne umzusteigen gelangt man mit der Bahn von hier aus nach Paris und Wien, nach Rom und nach Amsterdam. Und bloss einen Steinwurf vom Bahnhof entfernt steht ein weiteres wichtiges Zentrum, dasjenige des internationalen Stromhandels. Olten ist verbunden mit der ganze Welt, durch die Eisenbahn und durchs Stromnetz.

Lasst uns zur Feier des Tages, liebe Oltnerinnen und Oltner, wegsehen vom Alltag, der uns so gerne dazu verleitet, das Licht unter den Scheffel zu stellen, und von unseren Stärken reden und diese geniessen.

Olten und die Region blühen, die Auftragsbücher der Unternehmungen sind voll, das Gewerbe und das Gastgewerbe profitieren von der guten Nachfrage, davon dass die Löhne steigen (wenn auch leider nur sehr langsam) und die Arbeitslosigkeit zurückgeht. Manche Unternehmen bieten als eigentliche Job-Macher Jungen und auch Älteren Auskommen und Perspektiven. Das gibt Sicherheit. Hier ist man gerne daheim.

Mit der Tour de Suisse im Frühsommer hatte Olten Gelegenheit, sich der ganzen Schweiz am Fernsehen zu präsentieren. Im Flugbild kommt die kleine, charmante Altstadt besonders schön zu Geltung. Das bekomme ich seither gelegentlich auch von meinen Berner KollegInnen zu hören: „Dir z’Olte heit würklech e schöni Altstadt, das hani gar nid gwüssst!“ – Jetz weiss man’s, in der Schweiz und im Ausland.

Freuen wir uns darüber. Es ist schön hier und es lebt sich gut. Unsere Infrastruktur ist top attraktiv. Ich denke dabei unter vielem anderen an unsere Spitäler, an Oltens Image als Bildungsstadt mit der schweizweit bekannten Fachhochschule und an die excellenten Bahnverbindungen.

Switzerland works!
In einem deutschen Reiseführer steht: „Die Schweizer wollen mit dem Rest der Welt nichts zu tun haben.“

Dieses Klischee, liebe Oltnerinnen und Oltner, ist, wie die meisten seiner Art, schlicht  falsch. Die Schweiz ist wie kein anders Land in die Weltwirtschaft integriert.

  • Jeder zweite Franken wird im Ausland verdient.

  • Schweizer Unternehmungen beschäftigen im Ausland über 1,8 Mio Mitarbeitende.

Wir setzen alles daran, unsere Position in der Weltwirtschaft weiter auszubauen, für die Sicherheit der Arbeitsplätze hier im Land und um unseren Jungen eine Zukunft zu sichern.

Switzerland works! Das weiss man im Ausland. Auch unsere Botschafter aus Sport und Showbusiness verkünden es: Roger Federer, Michelle Hunziker oder das Alinghi-Team. – Der America-Cup war ein Sieg, so spannend wie ein Krimi. Wenn böse Zungen bemängeln, es sei doch bloss ein einziger Schweizer am Bord gewesen, dann kontere ich: Erst Schweizer Technologie hat diesen Sieg überhaupt ermöglicht. Was an der ETH Lausanne ausgetüftlet worden ist, stösst bei Flugzeug- und Autoherstellern weltweit auf Interesse: Die leichten Fahrzeuge verbrauchen weniger Energie, fahren billiger und schonen das Klima. – 1:0 für die Schwizer Forschung, 1:0 für Schweizer Qualität!

Stärke verpflichtet
Auf unsere Stärken dürfen wir stolz sein. Anderseits verpflichten sie uns aber auch zur Solidarität mit jenen, die weniger im Sonnenlicht stehen als wir. Nur wer das nicht vergisst und auch danach handelt, ist wirklich stark.

Auch in der erfolgreichen, reichen Schweiz existiert Armut – besonders in Familien mit kleinen Kindern. Wir leben in einer Zeit, in der sich soziale Gegensätze wieder verschärfen Und es gibt in vielen Ländern noch immer viel zu viel Hunger und Elend. Die Schweiz als starkes Land muss ihre Verantwortung im internationalen Kampf gegen Gewalt und Hunger wahrnehmen. Aus der Kluft zwischen arm und reich wachsen immer wieder neue Konflikte, die auch wir als neutrales Land zu spüren bekommen. Mit unserem Engagement helfen wir den direkt Betroffenen und auch uns selbst. Friedenspolitik und Entwicklungszusammenarbeit schaffen Chancen, auch für die exportorientierte Wirtschaft und für die Sicherheit der Arbeitsplätze in unserem eigenen Land.

Mit sanfteren Pfoten in die Zukunft
Ohne Perspektiven können wir nicht leben, vor allem die Jugend nicht. Immer wieder lesen wir Berichte über Gewalt unter Jugendlichen, über Vergewaltigungen, Schlägereien, Mobbing gegen Lehrkräfte. Was ist mit der Jugend los? Nehmen Eltern ihre Verantwortung zu wenig wahr? Ist es die zügellose Vermarktung von Sex und Gewalt, die Jugendlichen die Achtung voreinander vergessen lässt? – Die Gewalt unter Jugendlichen macht uns Sorgen. Wir alle: Eltern, Schule und Behörden müssen entschieden reagieren, klar machen, dass es so nicht geht. Für Gewalt kann es keine Toleranz geben. Aber die Rückkehr zur schwarzen Pädagogik, zur ”Ohrfeige im richtigen Moment”, ist keine Lösung. Es braucht mehr, es braucht Perspektive. Eine Jugend ohne Perspektive können, dürfen wir uns nicht leisten. Eine chancenlose Jugend neigt zur Gewalttätigkeit. Dass dies häufig ausländische Jugendliche betrifft, hängt damit zusammen, dass besonders viele von ihnen für sich keine Zukunft sehen.

Perspektive bedeutet zunächst, Aussicht auf Arbeit, Bildung, Integration. Dahinter aber steht noch mehr. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass auch in uns selbst Zweifel aufkommen, ob es auf der Bahn, auf die unsere Zivilisation geraten ist, tatsächlich immer weiter gehen kann. Schrankenlose Vergötterung von Markt und äusserem Erfolg, wachsende soziale Disparität, rüchsichtslose Vergeudung von Ressourcen, gegenseitige Respektlosigkeit – kann das eine Perspektive sein? Sollten wir nicht mit sanfteren Pfoten, im Respekt vor einander und vor der Schöpfung der Zukunft entgegen gehen?

Ich möchte unsere Jugend nicht nur als Problem darstellen, das wäre eine Verzerrung der Realität. Die grosse Mehrheit, und das gilt es zu unterstreichen, sind engagierte Menschen mit Energie und Kompetenz. Sie tragen die Schweiz von morgen.

Oeffnen wir ihnen die Tore zu einer guten Bildung und geben wir ihnen die Chance, sich in der Arbeitswelt zu bewähren. Und bestärken wir sie in ihrem Wunsch, zu der  Welt, die uns umgibt, Sorge zu tragen.

Denn es ist möglich, in Frieden und gegenseitiger Achtung zusammen zu leben, auch wenn die Anwesenheit von Fremden uns manchmal das Gefühl vermittelt, ein Stück Heimat zu verlieren.

Die Schweiz hat eine lange Tradition des Ausgleichs und des Dialogs, wir verfügen über bewährte demokratische Strukturen. Dass wir fähig sind – über kulturelle Unterschiede hinweg – die Zukunft gemeinsam zu gestalten, beweisen wir schon seit Generationen.

”Wir könnten viel, wenn wir zusammenstünden”, sagt in Schillers Drama der Stauffacher zu Tell. Er hat recht, angesichts der grossen Fragen unserer Zeit, etwa des Klimawandels, sind wir alle gleich, ob unsere Vorfahren aus der Schweiz oder aus welchem Land auch immer stammen. Halten wir also zusammen, erhalten wir unsere Sozialwerke, eine Gesundheit, die für alle bezahlbar bleibt, den hohen Stand der Bildung, schauen wir, dass wir den CO2-Ausstoss reduzieren und die Güter konsequent auf der Schiene transportieren.

Politisch heisst das natürlich Berge versetzen. Aber wir schaffen das. Vieles haben wir in dieser Beziehung bereits erreicht. Es gibt in der ganzen Welt kein Bahn- und Bussystem, das nur annähernd so dicht ist wie das unsere. Das Schweizer Volk hat unser Land zum Pionier für intelligente Verkehrslösungen gemacht. Auch punkto Energieeffizienz und Nutzung erneuerbarer Energien schaffts die Schweiz hoffentlich wieder an die Weltspitze des technologischen Fortschritts.

Das alles wünsche ich meinem, unserem Land, damit wir selbstbewusst, aber auf sanfteren Pfoten der Zukunft entgegen gehen.

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