Im Rahmen der Verbilligung der Krankenkassenprämien wenden die Kantone beim Umgang mit Verlustscheinen eine unterschiedliche Praxis an. Einige Kantone übernehmen die Kosten für ausstehende Prämienzahlungen, wenn Verlustscheine vorliegen. Andere werden erst aktiv, wenn trotz Leistungsaufschub eine medizinische Behandlung notwendig wird. Die Folgen dieser unterschiedlichen Praxis zeigen sich beim Kantonswechsel. So kann es vorkommen, dass ein Kanton die Prämienausstände eines Zuzügers aus einem anderen Kanton zu berappen hat. Zudem kommt es immer wieder vor, dass Prämienverbilligungsgelder zur Deckung von unbezahlten Krankenkassenprämien verwendet werden. Fragen:
- Einige Kantone wünschen sich eine Bundeslösung für die finanzielle Abdeckung ausstehender Prämienzahlungen. Wie stellt sich der Bundesrat dazu? Wie müsste eine Bundeslösung ausgestaltet sein?
- Teilt der Bundesrat die Ansicht, dass die Verwendung von Prämienverbilligungsgeldern zur Deckung von unbezahlten Prämien der Zielsetzung des KVG widerspricht?
- Müsste nicht vermieden werden, dass Personen, die über den Mechanismus der Verlustscheine die Prämien bezahlt erhalten, schliesslich mehr Prämienverbilligungsgelder erhalten als Personen, deren Prämien verbilligt werden?
- Was ist vorzukehren um zu vermeiden, dass Personen, deren Grundversicherung bei Vorliegen von Verlustscheinen vom Staat übernommen wird, daneben eine aus eigenen Mitteln finanzierte Zusatzversicherung unterhalten können?
Antwort des Bundesrates vom 31. Mai 2006
Frage 1: Artikel 64a des Krankenversicherungsgesetzes (KVG; SR 832.10) bildet seit dem 1. Januar 2006 die Grundlage für den Fall, dass die versicherten Personen ihre Prämien und Kostenbeteiligungen nicht bezahlt haben. Nach dieser Regelung schieben die Versicherer ihre Leistungspflicht auf, wenn die geschuldeten und trotz Mahnung nicht bezahlten Prämien oder Kostenbeteiligungen in Betreibung gesetzt worden sind, das Fortsetzungsbegehren gestellt und der Kanton über den Leistungsaufschub benachrichtigt worden ist. In die neue Bestimmung aufgenommen wurde auch ein Verbot, den Versicherer zu wechseln, so lange Prämien ausstehend sind. Damit sind die Säumnisfolgen bundesrechtlich festgelegt.
Eine über diese Regelung hinausgehende Massnahme beispielsweise hinsichtlich der Übernahme von Zahlungsausständen durch die Kantone oder Gemeinden wurde weder vom Bundesrat noch vom Parlament zur Diskussion gestellt. Der Bundesrat hat davon abgesehen, die Kantone zu verpflichten, nicht einbringliche Zahlungsausstände der Versicherten zu übernehmen. Er hat diese Aufgabe vielmehr der Autonomie der Kantone überlassen. Es besteht demnach für den Bundesrat keine Notwendigkeit für eine weitere bundesgesetzliche Regelung.
Frage 2: Es entspricht einer langjährigen Praxis, dass die Kantone die Übernahme von uneinbringlichen Prämien an die Prämienverbilligung nach KVG anrechnen können, wenn die kantonalen Vorschriften eine entsprechende Regelung vorsehen. Im Resultat wird damit einer – zumindest zeitweilig – mittellosen Person die ganze Prämie erlassen, was mit dem KVG durchaus vereinbar ist.
Frage 3: Die meisten Kantone übernehmen bei Vorliegen eines Verlustscheins den gesamten Prämienbetrag und allfällige weitere Kosten, damit die versicherte Person wieder in den Genuss von (eventuell bereits sistierten) Leistungen kommen kann. Es ist Sache eines jeden Kantons, den Kreis der Begünstigten und die Höhe der staatlichen Verbilligung festzulegen. Auch hat der Kanton selber das Instrumentarium zu schaffen, um mit der Prämienverbilligung die von ihm angestrebte politische und soziale Zielsetzung zu erreichen bzw. Ungerechtigkeiten zu verhindern.
Frage 4: Für den Vollzug der Prämienverbilligung sind die Kantone zuständig. Wenn eine versicherte Person die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, soll sie in den Genuss der entsprechenden Prämienverbilligung kommen. Nach Ansicht des Bundesrates ist es nicht Sache der öffentlichen Hand, sich um die Verwendung der Mittel zu kümmern, die der unterstützten Person verbleiben. Es kann damit einer unterstützten Person auch nicht das Beibehalten oder Abschliessen von Zusatzversicherungen untersagt werden.