Artikel von Bea Heim in der Zeitschrift „Aktives Alter“, 17.2.06
Als endgültig überholt gilt die Zeit, da Älterwerden ein Armutsrisiko war. Doch längst nicht alle über 65-Jährigen sind auf Rosen gebettet. Wer neben der AHV keine weitere Rente hat, dreht jeden Franken zweimal um.
235’000 alte Menschen kommen in der Schweiz nur mit Hilfe der 1966 eingeführten Ergänzungsleistungen über die Runden. Zusammen mit der AHV sollen sie die finanzielle Sicherheit im Alter gewährleisten, doch sie sind äusserst knapp berechnet und wurden deshalb in einzelnen Kantonen durch ausserordentliche Beiträge ergänzt. Als das Sanktgaller Stimmvolk diese Zusätze vor zwei Jahren kürzte, wäre für viele die Armut zurückgekehrt, hätte ihnen die Sozialhilfe nicht unter die Arme gegriffen. Um so mehr ärgert es mich, wenn ungeniert behauptet wird, alte Menschen lebten auf Kosten der Jungen. So sucht man die Schuld an der in den Medien beschworenen „Kostenexplosion“ im Gesundheitswesen in der demografischen Entwicklung, dem allgemeinen Älterwerden. Was soll diese Schuldzuweisung? Immerhin profitieren alle vom medizinischen Fortschritt. Immerhin bietet die Gesundheitsbranche mehr als 10% der Menschen in diesem Land auch in konjunkturell schwierigen Zeiten Arbeit. Natürlich dürfen die Ausgaben für die Gesundheit nicht in den Himmel wachsen. Die Politik hat die Pflicht, auch in Zukunft eine gute und bezahlbare Gesundheitsversorgung für alle zu gewährleisten. Dabei muss sie sich im Spannungsfeld der sich widersprechenden Interessen primär an den Bedürfnissen der Kranken von heute und den Patienten von morgen orientieren. Sparen allein reicht hier nicht aus. Es braucht den Blick aufs Ganze. Dass sich die Pflegekosten innert der letzten zehn Jahren verdoppelt haben, hat unter anderem mit den kürzeren Aufenthaltsdauern im Spital, dem ungenügenden Rehabilitationsangebot und der Tatsache zu tun, dass die Prävention von der Politik vernachlässigt wird. Darum verbirgt sich hinter dem Argument der demografischen Entwicklung eine reine Vernebelungstaktik auf Kosten der älteren Generation. Das empört mich. Ich stosse mich auch daran, dass die Gesellschaft noch immer Alter mit Schwäche und Pflegebedürftigkeit gleichsetzt, dass sogar ältere Menschen selbst dieses Cliché übernehmen. Der Trend, Alt und Jung gegeneinander auszuspielen ist unfair und falsch. Falsch, weil die ältere Generation all das erschaffen und berappt hat, wovon die Jungen heute mit aller Selbstverständlichkeit profitieren. Kurzsichtig zudem, weil auch die heutigen Jungen einmal in die Jahre kommen und froh sein werden, dass es ihren Vorfahren gelungen ist, für finanzielle Sicherheit und ein gutes Gesundheitssystem für alle zu sorgen. Statt ältere Menschen zum Kostenfaktor zu degradieren, braucht es gegenseitige Achtung und den Willen des gesellschaftlichen Zusammenhalts: eine ältere Generation, die sich dafür einsetzt, dass die Jungen Arbeit und vernünftige Einkommen haben, und das Engagement der Jungen für ein Alter in Gesundheit und finanzieller Sicherheit. Nicht das Gegeneinander sondern das Füreinander bringt uns weiter. So hoffe ich, dass es gelingt, die Jugendarbeitslosigkeit zu überwinden und die Familien zu stärken. Und ich hoffe auch, dass wir es schaffen, die Gesundheit und Autonomie im Alter zu fördern und eine faire Lösung in der Pflegeversicherung zu finden. Die Idee einer Finanzierung über die Erbschaftssteuer würde die Unabhängigkeit im Alter festigen und die jungen Familien bei den Krankenkassenprämien entlasten. Dass diese Idee noch auf politischen Widerstand stösst, ist offensichtlich. Aber wäre es vielleicht nicht doch ein prüfenswerter Gedanke?