Uii – das war knapp!

  • 26. März 2005
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Ein Sessionstag geht zu ende. In der Wandelhalle arbeiten noch ein paar Unverbesserliche an ihren Voten für morgen. Es ist ruhig geworden in diesen Räumen, die sonst von der Hektik der Politik und blitzenden Kameras erfüllt sind,

von Lobbyisten, die „ihre“ Politikerinnen und Politiker (heim)suchen, von Parlamentsbesuchen und diskutierenden Räten. In dieser Ruhe erst bemerke ich wieder die traumhafte Aussicht auf die Bergspitzen der Alpen. Die letzten Sonnenstrahlen färben sie – ein Abendrot – zu schön fast für ein Bild. Draussen vor dem Bundeshaus plätschern die Brunnen der Kantone, 26 an der Zahl. Kinder spielen auf dem Platz. Sie jauchzen so laut, dass ihre Freude durch die Mauern und Fenster bis ins Innere des ehrwürdigen Bundeshauses dringt.
Die Familien sind denn auch ein Schwerpunkt dieser Frühlingssession. Die vielen wohlgesetzten Bekenntnisse zur Wichtigkeit der Familien als Kern unserer Gesellschaft stimmen hoffnungsvoll. Dass die Volksinitiative „Faire Kinderzulagen“ der Travaille Suisse in diesem Parlament kaum eine Chance hat, ist leider klar. Doch die parlamentarische Initiative „Leistungen für die Familie“ muss realisiert werden: Jedem Kind eine Zulage, so wie es die Solothurner Standesinitiative verlangt. Die Familien brauchen höhere Kinderzulagen. In der ganzen Schweiz einheitlich wenigstens 200 Franken und für Kinder in Ausbildung 250 Franken. Das ist für die Wirtschaft verkraftbar, denn jeder Kinderzulagenfranken ist auch ein Konsumfranken. Insgesamt wird die Belastung der Wirtschaft unter dem Niveau der Zeit vor 25 Jahren sein. Was damals möglich war, ist auch heute verkraftbar. In der Landwirtschaft ist das Anliegen längst erfüllt. Warum nicht für alle Kinder? Doch die Debatte war hart und das Abstimmungsergebnis eine Zitterpartie. Kinder sind unsere Zukunft, wie oft hörte man diesen Satz – wie schön ist er und wie wahr. Die Schweiz wünscht sich mehr Kinder und unsere Familien eine echte Familienpolitik. Kinder sind heute ein Armutsrisiko, das darf nicht sein, wurde argumentiert. Tatsächlich sind heute rund 250’000 Kinder von der Armut betroffen. Ebenso viele haben keinen Anspruch auf eine Zulage. Dabei bedeuten selbst für Familien mit mittleren Einkommen Kinder – nebst Freude und Erfüllung – eine finanzielle Belastung. Doch die Rechte blieb „standhaft“ und fand, das gehe zu weit. Wie viel sind uns unsere Familien wert…? Knapp, sehr knapp entschied sich der Rat schliesslich für unsere Kinder, für unsere Zukunft.
Am nächsten Morgen die Retourkutsche, ein Rückkommensantrag. Die Abstimmung über die Solothurner Standesinitiative wird wiederholt. Auch die Luzerner, die Ergänzungsleistungen gegen die Familienarmut vorschlägt. Der Überraschungscoup ist perfekt. Der Rat lehnt beide Initiativen ab. Welch ein Signal an den 2.-Rat, den Ständerat: Aber noch ist nichts verloren!

Unsere AHV ist Gold wert! Die rasche Ausschüttung des Goldvermögens ohne Konsultation des Rates lässt die Emotionen hochgehen. Bundesrat Merz blieb ruhig, selbst als von Goldräubern und Bananenrepublik die Rede war. Der Bundesrat hat versprochen, das Volk könne über das Gold und seine Verwendung entscheiden. Nun also doch nicht. Erinnern Sie sich noch an die Abstimmung vom Mai vergangenen Jahres. Da konnte er nicht genug vor der demografischen Frage warnen. Um dem Volk die in der 11. –AHV-Revision vorgesehenen Rentenkürzungen „schmackhaft“ zu machen, überboten sich bürgerliche Kreise in der Schwarzmalerei. Man musste fast annehmen, die AHV stehe kurz vor dem Bankrott. Heute ist keine Rede mehr davon. Die AHV ist gesund. Aber in ein paar Jahren braucht sie wohl zusätzliche Mittel. Darum will die SP, einen Teil des Nationalbankgoldes der AHV zukommen lassen. Zum Glück gibt es die Volksinitiative „Nationalbankgewinne für die AHV“. Sie wird der AHV auch ohne das nun verteilte Gold zusätzliche Einnahmen von 1,5 Mia Franken im Jahr bringen. Damit kann für längere Zeit auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer verzichtet werden. – Kein Land auf der Welt hat so hohe Goldreserven wie die Schweiz. Es muss und wird auch für die AHV reichen.

Die Frühlingssession war geprägt von Diskussionen über die Zukunft der älteren und der jungen Generation.

Während ich noch das morgige Gespräch vorbereite, zu dem sich je eine Vertretung aller Parteien zusammenfindet, um die Strategie für ein Nationales Krebsprogramm zu diskutieren – Krebs ist eine der häufigsten Todesursachen in unserem Land – wird es kalt, ja frostig in der Wandelhalle. Draussen ist es nun dunkel – ich muss auf den Zug.

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