Eisenbahnprojekte. Bedeutung und Realisierungschancen

  • 18. Juni 2004
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Eingereichter Text
Die Ankündigung des Bundesamtes für Verkehr, Kernobjekte rasch zu realisieren, die übrigen Vorhaben jedoch einer Gesamtschau mit Zeithorizont 2007/08 zu unterziehen, hat in den Nordwestschweizer Kantonen Besorgnis ausgelöst. Ihrer Ansicht nach sind folgende Schieneninfrastrukturen für ein künftig funktionierendes Schienennetz zwingend und müssen als Kernobjekte der schweizerischen Verkehrspolitik rasch realisiert werden:
– Ausbau der wichtigsten Knotenbahnhöfe: Bern, Zürich und Luzern, sowie eine Leistungssteigerung durch Streckenausbau Thalwil-Luzern;
– Leistungssteigerung durch Streckenausbau:
Limmattal-Heitersberg-Olten/Zürich Flughafen-Winterthur und die Strecke Liestal-Wisenberg-Olten.
Der Wisenbergtunnel ist das Schlüsselglied der Nord-Süd-Achse zwischen dem Mittelland und dem HGV-Knoten Basel. Für die Ost-West-Achse stellt weiter die Strecke Olten-Aarau einen der schwierigsten nationalen Engpässe dar. Weder beim Bund noch bei der Bahn bestreiten die Fachleute, dass hier im nationalen Interesse etwas gehen muss. Wird das Projekt einmal mehr zurückgestellt, verzögert sich einerseits die dringend notwendige Taktverdichtung im Regionalverkehr in diesem Korridor um Jahre. Andererseits besteht das Risiko, dass Güterverkehr und Personalverkehr sich auf die Strasse verlagern.
Fragen:
1. Für die Mittellandkantone ist die Zeitdauer bis 2007/08 für die entscheidende Gesamtschau zu lange. Was spricht dagegen, diese bereits 2005/06 vorzunehmen?
2. Aufgrund von welchen konkreten Kriterien will der Bund Priorisierungen vornehmen? Wie sehen die Berechnungen dazu aus?
3. Als wie dringend und aufgrund von welchen konkreten zahlenmässigen Annahmen im Güter- und Personenverkehr beurteilt der Bund die Behebung des Engpasses Olten-Aarau? Kann ausgeschlossen werden, dass sich wegen des unbestrittenen Kapazitätsengpasses zusätzliche Sicherheitsprobleme stellen?
4. Mit Blick auf die Sparmassnahmen des Entlastungsprogrammes 2004 stellen sich die Fragen: Droht dem Wisenberg das Aus? Wie liesse sich ein Aus angesichts der wachsenden Transitbedürfnisse und dem wirtschaftlich mehr als berechtigten Anliegen der Nordwestschweiz für eine gute Bahnerschliessung des Flughafens Basel-Mulhouse begründen?
5. Wie stellt sich der Bundesrat zur Medienmitteilung der 18 Kantone vom 28. Mai 2004?
6. Wie stellt sich der Bundesrat zu den folgenden Fragen: Wie lange werden die heutigen Infrastrukturkapazitäten den wachsenden Güter- und Personenverkehr auf der Achse Basel-Olten ohne Ausbau noch bewältigen können? Sieht der Bund Alternativen zum Ausbau und welche?
7. Will und wann will der Bund den Wisenbergtunnel realisieren, den Engpass Olten-Aarau beheben und mit welchen Argumenten will er das Parlament von der Notwendigkeit dieser Projekte überzeugen?
8. Als wie wichtig beurteilt der Bund eine ausreichende Infrastruktur in diesen Bereichen für die Rentabilität der Neat?

Antwort des Bundesrates vom 1. September 2004
1. Der Zeitpunkt für die Durchführung der Vernehmlassung in den Jahren 2007/08 ist finanz- und verkehrspolitisch sinnvoll. Einerseits kann eine Neubeurteilung bis 2007/08 wichtige verkehrliche Entwicklungen berücksichtigen (Wirkung der Inbetriebnahme der ersten Etappe von „Bahn 2000“, der Verlagerungspolitik und der Erhöhung der LSVA, Entwicklung am Gotthard-Basistunnel, allfällige neue Ansätze beim Agglomerationsverkehr usw.). Dies wäre bei einer auf 2005/06 angelegten Gesamtschau nicht möglich.
Andererseits stehen im FinöV-Fonds mit der Umsetzung der Massnahmen, welche im „Bericht über die Mehrkosten betreffend den Zusatzkredit und die teilweise Freigabe der gesperrten Mittel der zweiten Phase der Neat 1“ des Bundesrates vom 7. April 2004 dargestellt und in der „Botschaft zu Änderungen bei der Finanzierung der FinöV-Projekte“ konkretisiert werden, erst ab etwa 2010/11 wieder finanzielle Mittel für neue Projekte zur Verfügung.
Der Bundesrat hatte am 10. September 2003 den Auftrag erteilt, die künftige Finanzierung der FinöV-Projekte zu analysieren und Lösungsvorschläge auszuarbeiten. Die Zwischenergebnisse wurden den parlamentarischen Kommissionen im Bericht des Bundesrates vom 7. April vorgelegt. Sie unterstützten die Absicht des Bundesrates, auf dieser Grundlage eine Botschaft ausarbeiten zu lassen. Die Botschaft zu Änderungen der Finanzierung der FinöV-Projekte soll in der Wintersession vom Erstrat behandelt werden.
2. Bei den Vorarbeiten für die Vernehmlassungsvorlage 2007/08 zur zukünftigen Entwicklung Eisenbahn-Grossprojekte sollen die absehbaren wirtschaftlichen, finanz- und verkehrspolitischen Rahmenbedingungen einbezogen werden, zudem auch die Schnittstellen zu den Leistungsvereinbarungen für die Jahre 2007 bis 2010, die weiteren Massnahmen im Agglomerationsverkehr auf Bundesebene sowie die „Botschaft zur Kapazitätsanalyse der Nord-Süd-Achsen des schweizerischen Schienennetzes und zur Trassensicherung für die zurückgestellten Neat-Strecken“.
Bei der Beurteilung der Projekte sollen die Thematik der Folgekosten neuer Schieneninfrastruktur sowie regionale Aspekte berücksichtigt werden. Können die Folgekosten der neuen Infrastrukturen durch den Bund langfristig nicht finanziert werden, ist allenfalls auch eine Redimensionierung des FinöV-Gesamtvolumens angezeigt. Der Bundesrat wird die oben erwähnte Botschaft in der Wintersession dem Erstrat unterbreiten.
3. Die Strecke Olten-Aarau genügt sowohl den heutigen als auch den unter „Bahn 2000″, erste Etappe“, zu erwartenden Anforderungen. Es handelt sich in diesem Sinne nicht um einen Engpass, sondern um eine verhältnismässig gut ausgelastete Strecke. Die Sicherheitsvorschriften werden ausnahmslos eingehalten. Die Flexibilität für weitere Angebotserweiterungen ist indessen gering, so dass sich in einem solchen Fall punktuelle Ausbauten als nötig erweisen könnten.
Aufgrund der finanziellen Situation können derzeit keine baulichen Massnahmen zur Kapazitätssteigerung realisiert werden. Die SBB wird versuchen, kurzfristig die Leistungsfähigkeit der Strecke durch eine weitergehende Verkürzung der Zugfolgezeit noch zu erhöhen.
4. Nach der Eröffnung der Neubaustrecke Mattstetten-Rothrist, speziell aber mit der Inbetriebnahme des Lötschberg-Basistunnels wird die Kapazität des Abschnitts Liestal-Sissach-Olten intensiv genutzt. Dies bedeutet, dass das Angebot erste Etappe von „Bahn 2000“ und FinöV-Lötschberg abgewickelt werden kann, zumal mit der Modernisierung der Stellwerkanlagen im Raum Sissach und mit dem Einsatz schnell beschleunigender Fahrzeuge im Regionalverkehr bis 2007 noch etwas Kapazität gewonnen wird.
Die Abwicklung des längerfristig prognostizierten hohen Güterverkehrswachstums ist mit der bestehenden Kapazität aber nicht möglich. Der Bundesrat wird die entsprechenden Planungsgrundlagen und Verkehrsprognosen im Rahmen der Vorarbeiten zur Vernehmlassungsvorlage 2007/08 aktualisieren lassen. Die Frage, ob und wann sich ein dritter Juradurchstich im Raum Basel-Olten als notwendig erweist, wird Bestandteil dieser Vernehmlassungsvorlage sein.
Die Realisierung des Bahnanschlusses Euroairport ist vom Bau des Wisenbergtunnels unabhängig. Die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens konnte gemäss den vom „trinationalen Lenkungsausschuss Bahnanschluss Euroairport“ durchgeführten Studien bisher nicht nachgewiesen werden. Der Anschluss des EAP soll wie die übrigen Projekte der zweiten Phase des HGV-Anschlusses im Rahmen der Gesamtüberprüfung neu beurteilt und gegebenenfalls in die Vernehmlassungsvorlage 2007/08 aufgenommen werden.
5. Die im Bericht des Bundesrates vom 7. April 2004 vorgeschlagenen und in der „Botschaft zu Änderungen bei der Finanzierung der FinöV-Projekte“ aufgeführten Massnahmen bewirken, dass erst ab etwa 2010/11 wieder finanzielle Mittel für neue Projekte zur Verfügung stehen. Der Bundesrat hat daher beschlossen, nur die verkehrlich prioritären Projekte gemäss dem ursprünglich vorgesehenen Zeitplan zu realisieren. Dazu gehören die erste Phase des HGV-Anschlusses sowie der Ceneri-Basistunnel. Die Realisierung der übrigen Eisenbahn-Grossprojekte, zu denen auch die zweite Phase des HGV-Anschlusses gehört, sollen im Rahmen der Vernehmlassungsvorlage zur zukünftigen Entwicklung Eisenbahn-Grossprojekte in den Jahren 2007/08 neu beurteilt werden.
6. Wie unter Ziffer 4 erwähnt, will der Bundesrat im Rahmen der Vorarbeiten zur Vernehmlassungsvorlage 2007/08 die Planungsgrundlagen aktualisieren. In diesem Rahmen sollen Kapazitäts- und Stabilitätsprüfungen durchgeführt und die Notwendigkeit der Realisierung eines dritten Juradurchstichs geprüft werden. Auf der Strecke Basel-Olten soll u. a. auch eine etappierte Realisierung der Wisenberglinie, insbesondere im Raum Liestal, untersucht werden.
7. Siehe Fragen 4 und 6. Zur Frage des Engpasses Olten-Aarau siehe Ziffer 3.
8. Die Rentabilität der Neat ist von vielen Faktoren abhängig. Was die Infrastruktur der Neat und ihrer Zulaufstrecken anbetrifft, führt eine zu knapp bemessene oder ungenügend unterhaltene Infrastruktur zu einer mangelhaften Produktionsqualität, was sich dämpfend auf die Nachfrage auswirken würde. Andererseits würde eine zu gross konzipierte Infrastruktur mit geringer Auslastung ebenfalls zu einer schlechten Rentabilität führen.
Die im Rahmen der „Botschaft zur Kapazitätsanalyse der Nord-Süd-Achsen des schweizerischen Schienennetzes und zur Trassensicherung für die zurückgestellten Neat-Strecken“ durchzuführenden Studien sollen u. a. auch aufzeigen, mit welchen Massnahmen optimale Resultate aus bahnbetrieblicher und wirtschaftlicher Sicht zu erreichen sind.

Erklärung Urheberin/Urheber: nicht befriedigt

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